Die AfD nutzt Beleidigungen als Propagandamittel. Damit will sie Feindbilder schüren, Kritik ableiten und die Welt falsch einrahmen. Das birgt Gefahren.
Die Flinten-Uschi ist weg, jetzt kommt das G36-Gretel. Der Grüßaugust winkt auf Sommerfesten und irrer grüner Quatsch stürzt Deutschland in den Abgrund.
So beschreibt die AfD politische Ereignisse. Von der ehemaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp Karrenbauer über Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bis zu den Grünen und der großen Koalition – die Partei würzt ihre Botschaften mit Beleidigungen.
Dahinter steckt System. Beleidigungen sind ein vielseitiges Stilmittel zur Meinungsmache – und ein wichtiges. Von Donald Trump bis zur DDR-Presse kam und kommt kein Populist ohne Beleidigungen aus.
Weil das so ist, sind Beleidigungen auch die große Schwäche der Meinungsmacher: Wer lernt, Beleidigungen zu erkennen, lernt, Propaganda zu erkennen – und sie zu vermeiden. Ein Blick auf die AfD zeigt, wie das geht.
Die Beleidigungen der AfD, Ziel 1: Feindbilder schüren
Was die AfD mit ihren Beleidigungen erreichen, will zeigt ihr Beitrag zum Amtsantritt von AKK als Verteidigungsministerin. Ihrer ursprünglichen Beleidigung schiebt die AfD noch einige Angriffe hinterher. “Die Frau ist eine Katastrophe”, heißt es. Mit ihr werde sich ” Stillstand und Dilettantismus” fortsetzen.
Hat die Partei klar gemacht, dass AKK als Verteidigungsministerin für sie die schlechteste aller möglichen Lösungen ist, kommt sie zum eigentlichen Ziel ihres Beitrags: Die Bundeswehr werde für Postengeschacher missbraucht, schreibt sie. “Eine Vorstellung, die wütend macht.” Und dann die Kernthese: “Der Abgesang auf Deutschland und seine Institutionen ist inzwischen ohrenbetäubend laut.” (Quelle)
Das Ziel jeder Botschaft: Von der Nachricht zum Schreckensszenario
Damit hat die AfD den Bogen gespannt, den jeder ihrer Beiträge spannen soll: von der Nachricht zum Schreckensszenario. Kein Ereignis darf für sich alleine stehen. Es muss eingebunden werden in eine größere Bedrohung, in einen Grund zur Angst um die Zukunft. Dann kann sich die AfD als Retter vor dieser Bedrohung positionieren.
Weil die Realität diese Botschaft nicht hergibt, nutzt die Partei Beleidigungen, um ihre Aussage zu verstärken. In diesem Fall heißt das: Die Ernennung einer neuen Verteidigungsministerin zeigt für die AfD den Untergang Deutschlands.
Gegen diese Botschaft gibt es viele Argumente: Vor allem, dass das größte Problem der Bundeswehr in der geringen Finanzierung liegt – und das seit Jahrzehnten. Wären die Deutschen bereit, ähnlich viel für ihr Militär auszugeben wie die Amerikaner, es ginge der Bundeswehr besser. Weil das die Mehrheit der Bevölkerung aber ablehnt, ist die Truppe unterfinanziert. Das ist der Wille des Menschen – und daran kann kein Verteidigungsminister etwas ändern. Der AfD mag das nicht gefallen – aber eine Demokratie, die tut, was die Menschen wollen, ist sicher nicht der Untergang des Landes.
Die Beleidigungen der AfD, Grund 2: Kritik ableiten
Ein weiterer Vorteil von Beleidigungen: Sie leiten Kritik ab, ohne sich inhaltlich mit ihr auseinandersetzen zu müssen. Ein Beispiel: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte “politische Gruppierungen” kritisiert, die “das Erbe [der friedlichen Revolution in der DDR 1989] für ihre Angstparolen stehlen.” Das sei “eine perfide Verdrehung der Geschichte”. Direkt hatte Steinmeier die AfD nicht genannt. Nachdem die Partei aber mit dem Slogan “Wende 2.0” für sich wirbt, war klar, wer gemeint war.
Derartige Kritik ist für die AfD ein Problem. Die Protestbewegung der DDR wollte offene Grenzen, Reisefreiheit und Einheit – das genaue Gegenteil dessen, wofür die AfD steht. Eine tiefgreifende Diskussion zu dem Thema, würde das offenbaren. Also will die Partei schnell zum nächsten Thema übergehen und die Kritik ableiten.
Der Ton mit politischen Gegenern: Attacke, Attacke, Attacke
Der einfachste Weg dazu: Attacke, Attacke, Attacke. Wenn es der AfD gelingt, den Kritiker zumindest vor den eigenen Anhängern als unglaubwürdig hinzustellen, entwertet sie das Gesagte, ohne inhaltlich darauf eingehen zu müssen. Deswegen beleidigt sie Steinmeier als Grüßaugust, der lieber auf Sommerfesten winken soll, als eine Meinung zu haben.
Auch diese Methode hat die AfD nicht erfunden. Donald Trump beleidigt seine Kritiker per Twitter. Fußballfans werten Kritik an ihren Teams ständig mit Beleidigungen des Kritikers ab. Und wem nicht gefällt, was er in der Zeitung liest, redet von Lügenpresse. Kritik durch Beleidigungen des Kritikers entwerten zu wollen ist eine urmenschliche Reaktion. Propagandisten wissen, wie sie diese auf die Politik übertragen.
Die Beleidigungen der AfD, Grund 3: Die Welt falsch einrahmen
Wie die AfD Beleidigungen einsetzt, zeigt Charles Dickens’ Kurzgeschichte A Christmas Carol. Dessen Hauptfigur Ebenezer Scrooge, ein grantiger Geizhals, hasst Weihnachten. Sinnlose Verschwendung und aufgesetzte Großherzigkeit, findet er. Das ändert sich am Weihnachtsabend 1843. Drei Geister zeigen Scrooge wie der kleine Tim und seine Familie Weihnachten feiern, wie es der Höhepunkt ihres Jahres ist – und das Tim im kommenden Jahr sterben wird. Es ist sein letztes Weihnachtsfest, weil seiner Familie das Geld für die Behandlung seiner Krankheit fehlt.
Zurück in der Wirklichkeit wandelt sich Scrooge zum Musterbeispiel für Warmherzigkeit und Freigiebigkeit. Er wird ein zweiter Vater für den kleinen Tim, erhöht seinem Sekretär das Gehalt und läuft dem Spendensammler vom Vortag nach, um ihm Geld zu geben. Die Armen sind für ihn nicht länger ein Fall für Gefängnisse und Armenhäuser.
Das Beispiel zeigt: Was wir mit Ereignissen, Menschen und Dingen verbinden, bestimmt, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten. Als Scrooge bei Weihnachten an leidende Menschen statt Geldverschwendung denkt, ändert er sein Handeln. Die Psychologie nennt das Framing (engl. Einrahmen). Weil die drei Geister den Begriff Weihnachten neu eingerahmt haben, verhält er sich anders. Propagandisten versuchen das Gleiche – allerdings mit eigensinnigeren Absichten.
Framing ist eine politische Waffe
Wem die Wahrheit egal ist, der kann Framing als Waffe nutzen. Beispiel Migranten: Menschen, die bisher wenig oder gar keinen Kontakt zu Migranten hatten, haben keinen verlässlichen Rahmen, in den sie diese einordnen können. Sie fragen sich, was sie von ihnen halten sollen. Sollen sie mit ihnen Mitgefühl, Ehrlichkeit eine schreckliche Vergangenheit verbinden oder Angst, Kriminalität und böse Absichten? Diese Ungewissheit ist die ideale Ausgangslage für Propaganda.
Denn wer ehrliche Politik machen will, muss Migranten so darstellen, wie sie sind: Ähnlich wie die Deutschen, keine Engel, aber auch keine Bedrohung. Diese Lage ist komplex und jede Partei wird aus ihr andere Schlüsse ziehen, wie mit ihr umzugehen ist. So lange diese Schlüsse aber alle auf einer ehrlichen Ausgangsposition beruhen, sind sie nicht völlig entgegengesetzt. Das öffnet eine Flanke für die Propaganda.
Wahr ist zum Beispiel, das Migranten nachweislich weder krimineller noch dümmer oder fauler als Deutsche sind. Wer ehrliche Politik machen will, kann sie also nicht als Gefahr für Sicherheit und Wohlstand darstellen. Wem die Wahrheit aber egal ist, der kann das. Dadurch erzeugt er ein Alleinstellungsmerkmal. Schafft er es, Menschen die Welt so einzurahmen, dass sie ihm diese Erfindung glauben, hat sie für immer an sich gebunden. Er kann so tun, also habe nur er die Wahrheit erkannt. Als könne nur er die Menschen beschützen.
Auch Donald Trump nutzt Framing
Deshalb stellten die Nazis die Juden als Weltverschwörer dar. Deshalb beschimpfte die DDR die Bundesrepublik als faschistischen Aggressor und Donald Trump Hillary Clinton als Verbrecherin. Diese Rahmen waren so weltfremd, dass sie einzigartig waren. Wer sie glaubte, musste den Propagandisten folgen.
Ähnlich macht es die AfD. Sie nutzt jede Gelegenheit, um Angela Merkel als Verbrecherin einzurahmen, die Bundesrepublik als unsicher und Ausländer als nutzlos und gefährlich. Auch diese Feindbilder sind derart unwahr, dass sie ein Alleinstellungsmerkmal erzeugen. Wer sie glaubt, muss AfD wählen.
Zum 1. April veröffentlichte die AfD Fraktion im Landtag Sachsen-Anhalt dieses Bild eines Migranten mit dem Aprilscherz, dass Migration der Wirtschaft diene. Auch das ist eine Beleidigung. Sie soll sagen: Mit diesen Hinterwäldlern kann Deutschland nichts anfangen.
Die AfD sagt nichts Neues – sie beleidigt nur mehr
Bleibt die Frage: Was nützt diese Erkenntnis? Die AfD würde wohl selbst kaum abstreiten, Menschen hart anzugehen. Sie würde aber entgegnen, dies sei nötig – weil es sonst niemand macht. Botschaft: “Klar, unsere Kritik ist hart. Aber sonst sagt ja es ja niemand!”
An dieser Aussage stimmt: In einer Demokratie ist es wichtig, dass die Opposition es bei jeder Besetzung eines Ministeramts die Eignung des Kandidaten anzweifelt. Jemand muss fragen “Kann die das überhaupt?” und die Schwächen des Kandidaten aufzeigen.
Aber: Alle Parteien machen das. Bei der FDP sah das zum Beispiel so aus:
Die Botschaft ist bei den anderen Parteien die gleiche wie bei der AfD. Sie hinterfragen AKKs Eignung für den Job und kritisieren ihre Entscheidungen.
Das zeigt: Die AfD ist nicht der ehrliche Vertreter der Menschen, der sonst verschwiegene Dinge anspricht. Geht es um tatsächliche Themen, kümmern sich die anderen Parteien um die gleichen Themen.
Der Unterschied zwischen der AfD und den anderen Parteien besteht weniger darin, was sie sagen. Er besteht darin, wie sie es sagen. Wo Union, SPD, Grüne und FDP auf inhaltliche Debatten setzen, beleidigt die AfD. Damit legt sie die Grundlage für Wut, Hass und Spaltung.
Dem Kommunikationsstil der AfD am ähnlichsten ist Solid, die Jugendorganisation der Linken. Sie beschimpft die Bundeswehr regelmäßig. Solid freut sich, dass mit AKK angeblich Sand in das Getriebe der Rekrutierungsmaschine komme. Damit setzt sie auf Beleidigungen – wie die AfD am anderen Rand des politischen Spektrums.
Fazit
- Die AfD nutzt Beleidigungen als Propagandamittel.
- Mit Beleidigungen will die AfD Feindbilder schüren, Kritik ableiten, die Wahrheit falsch einrahmen und über den Tonfall statt über Inhalte diskutieren.
- Die übrigen Parteien sprechen die gleichen Themen an, wie die AfD. Sie beleidigen lediglich deutlich weniger.