Christian Masengarb

Dem Populismus ein Ende

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By Elvert Barnes - 70.East.USCapitol.WDC.6January2021, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98742879

Die BBC tat bei Trump, was jeder guter Journalist tun sollte

Posted on 19. November 202520. November 2025 by Christian Masengarb

Donald Trump verklagt die BBC wegen Verleumdung. Diese will vor Gericht kämpfen. Zum Glück. Sonst stirbt die Wahrheit.

Als Donald Trump im November 2025 auf die britische BBC losgeht, passieren zwei unglaubliche Dinge:

  1. Erst setzt der US-Präsident der britischen Nachrichtenanstalt wegen einer längst vergessenen Dokumentation eine Fünf-Tage-Frist. Sie solle sich entschuldigen, die Doku zurückziehen und den US-Präsidenten finanziell entschädigen. Sonst verklage er die BBC auf bis zu fünf Milliarden US-Dollar Schadensersatz wegen Verleumdung.
  2. Dann entschuldigt sich die BBC tatsächlich. Nicht bei ihren Zuschauern. Das hatte sie schon getan. Sondern bei Donald Trump.

Der zweite Punkt ist der eigentliche Skandal. Trump verklagt immer wieder Medien, scheiterte bislang aber vor Gericht immer. Diesmal droht er Journalisten über Grenzen und Ozeane hinweg. In Florida, wo er nun klagt, können Internetnutzer die BBC-Doku nicht einmal ansehen. Die Journalisten knicken trotzdem zunächst ein.

Das ist auch für Deutschland, wo Populisten die Methoden aus den USA kopieren, eine schlechte Nachricht. Drei Punkte erklären warum – und was wir daraus lernen sollten.

1. Die BBC tat, was jeder gute Journalist tun sollte

Die BBC-Dokumentation thematisiert den Sturm auf das US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021. Trump hat seine Anhänger an diesem Tag in einer Rede aufgefordert, den von ihm erfundenen Wahldiebstahl zu stoppen. Sie sollen zum Kapitol ziehen, wo das US-Parlament an diesem Tag Trumps rechtmäßig gewählten Nachfolger, Joe Biden, zum Präsidenten vereidigt. Und sie sollen kämpfen wie die Hölle, um dies zu verhindern.

Trumps Anhänger errichten vor dem Kapitol einen Galgen und stürmen dessen Hallen. Sie rufen, Politiker aufhängen zu wollen. Sie verprügeln 140 Polizisten. Ein Polizist stirbt später.

Deutliche Botschaft: Ein Schild fordert am 6. Januar 2021 vor dem Kopf, den von Trump erfundenen Wahldiebstahl zu verhindern. Darunter die Botschaft: "Schlagt ihnen die Köpfe ab."
Deutliche Botschaft: Ein Schild fordert am 6. Januar 2021 vor dem Kapitol in Washington, den von Trump erfundenen Wahldiebstahl zu verhindern. Darunter der Slogan: "Schlagt ihnen die Köpfe ab." Foto: Tyler Merbler from USA - DSC09426-2, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98692651

Als die BBC die Ereignisse des 6. Januar in einer Dokumentation zusammenfasst, verfolgt sie, wie alle Journalisten, drei Aufgaben, die sich manchmal widersprechen:

  1. Die Fakten so genau wie möglich abbilden.
  2. Zusammenhänge erklären.
  3. So sprechen, dass jemand zuhört.

Wissenschaftler verfolgen nur die ersten beiden Aufgaben. Deswegen liest niemand außer ihnen selbst ihre Arbeiten. Romanautoren verfolgen nur die dritte Aufgabe. Deswegen dienen ihre Bücher bestenfalls als Sinnbilder der echten Welt. Von Journalisten erwarten wir, alle Ziele zu vereinen. Sie sollen die echte Welt erklären, ohne dass wir beim Zuhören einschlafen. Immer. In jedem Satz und in jeder Botschaft.

Darin besteht die Herausforderung des Journalismus. Niemand mag lange Abhandlungen. Also müssen sich Journalisten kurz fassen. Aber eben nicht so kurz, dass sie Fakten verzerren. Aus langen Politikerreden müssen sie die ein, zwei Sätze wiedergeben, die den Redner darstellen wie er ist.

Das tut die BBC bei Trump. Sie wählt aus einer langen Rede Worte, die deren Botschaft zusammenfassen. Perfekt. Zumindest fast.

Denn die BBC kennzeichnet nicht, wie sie die Rede dabei schneidet. Das ist ein Fehler. Der Beitrag verdient deswegen keine Schulnote Eins. Er verdient eine Vier. Aber er ist keine Verleumdung, wie Trump nun behauptet. Trump nutzt den Fehler als Vorwand.

2. Trump verklagt die BBC, weil sie guten Journalismus macht

In seiner Rede am 6. Januar 2021 spricht Trump wie ein typischer Post-Truth-Populist.

Früher schufen Populisten wie Hitler oder Stalin eine Scheinwelt. Heute verwirren Populisten. Sie behaupten alles auf einmal. Sie verzerren die Welt zu einem schwer durchschaubaren Dickicht, indem ihre Anhänger am Ende doch irgendwie die gewünschte Botschaft hören: „Vertraut dem Populisten. Die anderen sind der Feind.“

Trumps Rede vom 6. Januar zeigt, wie dieser Trick funktioniert:

  • Trump sagt seinen Anhängern erst: „Wir gehen zum Kapitol und ich werde bei euch sein. Ich weiß, dass jeder hier gleich zum Kapitol geht und dort seiner Stimme friedlich und patriotisch Gehör verschafft.“
  • Dann schimpft der US-Präsident 40 Minuten lang auf angeblich gestohlene Wahlen, dunkle Mächte und den bevorstehenden Untergang des Landes.
  • Dann fordert Trump seine Zuhörer erneut auf, zum Kapitol zu ziehen. „Und ich bin bei euch und wir kämpfen. Wir kämpfen wie die Hölle, denn wenn wir nicht wie die Hölle kämpfen, habt ihr kein Land mehr.„

Trump weiß an diesem Tag, dass rechtsextreme Moderatoren in Internet und Radio die Menschen aufgewiegelt haben. Er weiß, dass einige seiner Zuhörer Waffen tragen. Als er diese Leute auffordert, zum Kongress zu gehen, zu kämpfen und die Vereidigung Bidens zu verhindern – im letzten Moment, in dem sie das noch können –, weiß er, was dann passiert.

Vorbereitet: Ein Mitglied der rechtsextremen Miliz "Proud Boys" am Morgen des 6. Januar in Washington. Trump wusste, dass die Proud Boys unter seinen Zuhörern sind, und Bidens Wahl notfalls mit Gewalt verhindern wollen. Foto: Elvert Barnes - 49a.ProudBoys.USSC.WDC.6January2021, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98626368.

Indem Trump seine Botschaft nicht eindeutig äußert, sondern sie wie ein Post-Truth-Populist verdreht, erreicht er zwei Dinge:

  • Trump lockt seine Zuhörer erst mit etwas, dem viele zustimmen: friedlich demonstrieren. Wie ein guter Verkäufer führt er sie dann Schritt für Schritt dahin, wo er sie haben will: gewaltsam demonstrieren. Stellt er die Hauptbotschaft an den Anfang, denken seine gemäßigten Fans: „Ich stürme doch nicht das Kapitol!“ Mit der Schritt-für-Schritt-Taktik überzeugt er mehr seiner Zuhörer.
  • Trump kann später alles abstreiten, weil er zwischen Verschwörungstheorien und Kampfgerede auch vom friedlichen Demonstrieren spricht. Bei seinen Zuhörern bleibt das Kämpfen hängen. Seine Anwälte und sein Social-Media-Team können aber die Friedlichkeit herausschneiden.

Die BBC lässt Trump das nicht durchgehen. Sie zeigt, was er am 6. Januar meint. Sie schneidet: „Wir gehen zum Kapitol“ und „ich bin bei euch und wir kämpfen. Wir kämpfen wie die Hölle, denn wenn wir nicht wie die Hölle kämpfen, habt ihr kein Land mehr.“

Damit stellt die BBC Trump korrekt dar. Das könnte sie auch einfacher, weil Trump dieselbe Botschaft auch ungeschnitten verkündet. Vier Sätze nach dem „wir kämpfen wie die Hölle“ fordert er die Menschen erneut auf, zum Kapitol zu gehen. Sie sollen auch die „schwächeren“ Republikaner überzeugen, die Wahl Bidens zu verhindern.

Die BBC entscheidet sich aber für die knappere Version. Das wäre in Ordnung, wenn sie den Schnitt eindeutig kennzeichnet. Sie kennzeichnet ihn gar nicht. Ein massiver Fehler.

Immerhin vermittelt die BBC Trumps Botschaft aber eindeutig. So sollten alle Journalisten mit Populisten umgehen. Nur so lassen sie sich von ihnen nicht an der Nase herumführen.

By TapTheForwardAssist - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98667859
Gemischtes Publikum: Beim Sturm auf das Kapitol folgen auch Durchschnittsbürger den auf Krawallen vorbereiteten Zuhörern Trumps. Foto: TapTheForwardAssist - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98667859.

Um den Schnitt geht es Trump wohl ohnehin nicht. In einer Zeit, in der seine Beliebtheit in den USA immer weiter fällt, in der die Republikaner Wahlen verlieren und der Präsident wegen seiner Beziehung zu Kinderschänder Jeffrey Epstein unter Druck steht, will er die Menschen ablenken.

Dafür kramt Trump die mehr als ein Jahr alte BBC-Doku hervor, weil er Journalisten ihr Handwerk erschweren will. Sie sollen ihn nicht einordnen. Sie sollen nicht zeigen, was er wirklich sagt. Sie sollen einem Politiker, der ständig lügt, beleidigt und verleumdet, aus Angst diese Lügen und Beleidigungen durchgehen lassen.

3. Auch in Deutschland greifen Populisten die Medien an

Diese Woche behauptet Trump in Sozialen Medien, das FBI habe am 6. Januar 2021 274 FBI-Agenten eingesetzt, um die Ausschreitungen anzuzetteln. Seit Jahren wiederholt er in typischer Post-Truth-Manier, es habe am 6. Januar keine Ausschreitungen gegeben und das FBI habe die Ausschreitungen angezettelt.

Richtig ist: Am 6. Januar waren FBI-Agenten im Einsatz. Sie eilten zum Kapitol als Trumps Anhänger, Polizisten verprügelten und Politiker aufhängen wollten. Nun verklagt der Politiker, der diese Ereignisse falsch berichtet und deswegen Hetzjagden auf FBI-Mitarbeiter und Politiker anzettelt, die BBC wegen Verleumdung.

Das ist absurd. Noch absurder wäre es, ihm das durchgehen zu lassen, sich bei ihm zu entschuldigen oder seine Lügen und Beleidigungen zu relativieren.

Für Deutschland wichtig ist diese Klage, weil deutsche Populisten die Tricks ihrer US-Vorbilder kopieren. Sie sprechen von „Lügenpresse“. Sie breiten Fehler von Journalisten groß aus, um damit ihre ständigen Lügen und Beleidigungen weniger deutlich wirken zu lassen. Wahrscheinlich klagen Populisten hierzulande bald gegen Journalisten.

Darauf sollten wir uns vorbereiten. Wir wollen alle möglichst genau und ehrlich informiert werden. Dafür müssen Journalisten Politiker so abbilden dürfen, wie sie sind. Weil jedem Fehler passieren, brauchen sie dabei die Gewissheit, nicht jeden Fehler mit Milliardenstrafen zu bezahlen.

Die BBC kämpft nun doch gegen Trump

Als Trump trotz Entschuldigung gegen die BBC klagt, entscheidet sich diese glücklicherweise, vor Gericht zu ziehen. Der Sieg dürfte ihr sicher sein.

Hoffentlich lernen Journalisten auch in Deutschland daraus und sparen sich künftig gleich die Entschuldigung. Hoffentlich lernen alle Menschen hierzulande daraus und fallen nicht darauf herein, wenn Populisten das nächste Mal behaupten, die Medien seien genauso verlogen wie sie.

Artikelbild: By Elvert Barnes – 70.East.USCapitol.WDC.6January2021, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=98742879

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