Die AfD macht in den Sozialen Medien Propaganda. Dafür nutzt sie die gleichen Methoden wie judenfeindliche-Zeitungen vor 1945. Die Ähnlichkeiten sind riesig.
Angela Merkel hat gelogen. Das zumindest verkündet die AfD. Die Regierung hatte beim UN-Migrationspakt Transparenz versprochen. In Wahrheit traf sie sich aber davor zu nicht-öffentlichen Sitzungen – und danach auch. „Nun kriecht die gekaufte Katze langsam aus ihrem Sack“, kommentiert die Partei bei Instagram. Der Migrationspakt sei jenseits aller demokratischen Diskussionskultur zustande gekommen. Der AfD sei es zu verdanken, dass die Bürger nun endlich wissen, wie ihnen die Regierung Sand in die Augen streut.
Nichts davon ist wahr. Die AfD konstruiert einen Skandal. Interessant ist dabei besonders, wie sie das macht. Denn sie arbeitet mit Techniken, die Propagandisten schon seit über einem Jahrhundert verwenden.
Hier geht es zum den anderen Teilen der Serie:
Wie die AfD lügt, Teil 1: Es geht um Liebe
Wie die AfD lügt, Teil 3: Die Geschichte vom bösen Ausländer
Die AfD-Meldung ist falsch
Räumen wir zuerst das Offensichtliche aus dem Weg: Nicht-öffentliche Sitzungen sind ein völlig normaler Bestandteil der demokratischen Diskussionskultur.
Sogar Gemeinderäte halten regelmäßig nicht-öffentliche Sitzungen ab. Zum Beispiel wenn es um vertragliche Details geht oder sie ein Bauvorhaben planen, aber Grundstücksspekulationen vermeiden wollen. Dann wäre es unklug, zu früh mit der Idee an die Öffentlichkeit zu treten. Trifft das Gremium in der nicht-öffentlichen Besprechung aber einen Beschluss, muss es diesen schnellstmöglich öffentlich machen. Alles demokratisch, also.
Ähnlich macht es auch für Diplomaten Sinn, vor Gesprächen mit anderen Ländern nicht alle Details ihrer Planung an die Presse weiterzugeben. Deswegen ist es auch hier völlig normal, einige nicht-öffentliche Treffen abzuhalten. Hätte die Regierung Merkel das beim Migrationspakt anders gemacht, es wäre das das erste Mal in der Geschichte gewesen.
Die Anschuldigungen der AfD sind übertrieben, bewusst verzerrend und gezielte Propaganda. So viel zum Inhalt.
Die AfD stellt Merkel so dar, weil sie Propaganda machen will
Genauso interessant wie der Inhalt, ist die Art und Weise, wie die AfD ihre Botschaft präsentiert. Neben der Nachricht des Beitrags zeigt sie ein Bild von Angela Merkel mit weit aufgerissenen Augen, den Mund leicht geöffnet, den Kopf nach vorn gestreckt.
Es ist das gleiche Bild, wie es die AfD häufig für die Bundeskanzlerin verwendet. Wahrscheinlich nickt Merkel in dieser Situation gerade jemandem zu. Weil das Foto aus der Bewegung heraus aufgenommen und aus dem Zusammenhang gerissen ist, wirkt sie aber gierig, als wolle sie etwas an sich reißen. Durch die leicht gespitzten Lippen scheint sie sich über die Lüge zu freuen, die sie angeblich erzählt hat. Die Botschaft ist klar: Die Frau lügt gerne, sie macht das häufiger. Ihr ist nicht zu trauen. Weder Union und SPD noch Grüne und FDP stellen Politiker anderer Parteien so dar.
Dennoch hat diese Art der Darstellung Tradition: Sie ist ein klassisches Propaganda-Werkzeug. Ein Beispiel: Das Heft 1, Jahrgang 1921, der Deutschvölkischen Monatshefte – herausgegeben von Alfred Rosenberg, dem späteren Chef-Ideologen Adolf Hitlers. Das Heft titelt: „Der Jude als Herr der Welt.“ Darunter eine Zeichnung, die den Juden als Krake darstellt, der sich auf einem Stapel voller Gold und Wertgegenstände über eine nackte, leidende Frau hermacht.
Sein Gesicht: weit aufgerissene Augen, der Mund leicht geöffnet, die Lippen leicht lächelnd. Wie Angela Merkel in der Darstellung der AfD, wirkt auch er, als freue er sich über das gierige Verbrechen, dass er begeht.
Die AfD macht bei Instagram handwerklich solide Propaganda
Die gleichen Gesichtszüge finden sich während des Nationalsozialismus häufig bei Bildern, die Juden als gierig darstellen wollen. Ein weiteres Beispiel: Die Ausgabe 6, Jahrgang 1940, des Stürmers – herausgegeben vom NSDAP-Gauleiter Frankens, Julius Streicher. Unter der Geschichte „Entthronter Mammon“ zeigt der Stürmer einen Juden, der über einem Kessel voller Geld Münzen durch seine Hände rieseln lässt.
Auch sein Gesichtsausdruck ist fast identisch mit dem von Angela Merkel in der Darstellung der AfD – weit aufgerissene Augen, leicht geöffneter Mund, den Kopf nach vorn gestreckt.
Auch hier ist die Botschaft des Stürmers klar: Diese Menschen sind verdorben. Sie sind krank. Von ihnen kann man nichts Gutes erwarten. Sie sind so, und sie werden so bleiben, bis jemand hart gegen sie vorgeht. So machten Judenhasser vor fast einem Jahrhundert Propaganda. Und so macht es die AfD heute.
AfD-Propaganda: kein Einzelfall
Die AfD wendet gerne zwei Dinge gegen diese Art von Kritik ein: Sie sagt, dass es sich um Einzelfälle handele. Und, dass die anderen Parteien auch nicht besser seien. Auch das wäre beides falsch.
Aber der Reihe nach. Die Einzelfalltheorie ist schnell wiederlegt. Das gleiche Bild von Angela Merkel prangt auch auf Beiträgen zum Dublin-Abkommen, zur CO2-Steuer und zur Regierungs-Beliebtheit. Es ist eines der Standard-Bilder, die die AfD für Merkel verwendet. Kein Ausrutscher und kein Einzelfall, also.
Die Bildsprache zeigt: Der böse Drahtzieher im Hintergrund
Außerdem: Bei anderen Politikern wendet die AfD ähnliche Propaganda-Techniken an. Ein Beispiel: Außenminister Heiko Maas (SPD). In einem Beitrag über Hinrichtungen im Iran stellt die AfD Maas hinter der Nachricht dar, mit verschränkten Armen und leicht geöffnetem Mund. Über das Bild ist ein Blaufilter gelegt, der es kalt wirken lässt. Maas scheint wie der gefühllose Strippenzieher im Hintergrund.
Wie bei Angela Merkel hat die AfD dieses Bild gezielt gewählt, um eine Wirkung zu erzielen. Auch diese Propaganda-Technik hat Tradition. Der Stürmer setzte sie immer ein, wenn er die Juden als Strippenzieher im Hintergrund darstellen wollte. Dabei geschieht im Vordergrund ein Verbrechen, während im Hintergrund ein Jude ungerührt zuschaut. Die Darstellung soll zeigen: Die Juden stecken hinter dem Übel dieser Welt. Sie sind Schuld an allem Schlechten. Solange sie profitieren, sind ihnen die Opfer egal.
Der Stürmer verwendet die Darstellung zum Beispiel in einer Zeichnung zur Geschichte „Verjudetes England“, Jahrgang 1939, Ausgabe 50. Dabei schauen ein stereotyper Jude und der ehemalige britische Premierminister Benjamin Disraeli, ebenfalls ein Jude, dem damaligen britischen Premierminister Neville Chamberlain zu, wie er nach der Welt greift. Auch sie wirken gierig, als würden sie das Verbrechen gut heißen und unterstützen. Dass Disraeli zu diesem Zeitpunkt seit 59 Jahren tot war, erwähnt der Stürmer nicht.
Wie die AfD Maas darstellt, ist eine Standard-Methode der Propaganda, um politische Gegner zu kriminalisieren. So machte das der Stürmer, und so macht es die AfD. Es ist kein Einzelfall, es hat System.
Der Gesichtsausdruck zeigt: Ein hinterhältiger Typ
Abgesehen vom Bildaufbau: Es ist kein Zufall, dass die AfD Maas gerade in dieser Haltung zeigt. Auch sie gehört zum Grundwerkzeug der Propaganda. Der schräge Kopf und der leicht geöffnete Mund lassen eine Person wirken, als beobachte sie jemandem heimtückisch aus dem Augenwinkel.
Der Stürmer setzt diese Methode zum Beispiel in den Bildern zum Artikel „Jüdische Knabenverdreher – Die Berliner Polizei räumt auf – Eltern achtet auf eure Kinder!“ ein, Jahrgang 1936, Ausgabe 13. Der Stürmer zeigt mehrere Juden, die hinterhältig und verschlagen wirken sollen. Für jedes der Fotos verwendet er eine andere Technik, um das zu erreichen. Eine davon: Der schräge Kopf, die Augen zur Seite, der leicht geöffnete Mund – ähnlich der Darstellung von Maas bei der AfD. Auch das ist nichts Neues.
Nationalisten stellt die AfD besser dar
Bleibt noch die Gegenprobe: Es könnte schließlich sein, dass die AfD einfach alle Politiker verzerrt darstellt. So wie Coca Cola rot und die Post gelb sind, ist die AfD eben blau. Also legt sie einen Blaufilter über Heiko Maas. Nichts Ungewöhnliches, oder?
Doch. Ihre eigenen Politiker stellt die AfD sehr wohl besser dar. Den Parteivorsitzenden Alexander Gauland zeigt sie zum Beispiel mit einem professionellen Bild leicht lächelnd, im Vordergrund und in warmen Farben. Ähnlich den EU-Abgeordneten Jörg Meuthen – weit entfernt von der Darstellung Merkels und Maas’.
Auch Donald Trump und Vladimir Putin kommen bei der AfD besser weg. Die Partei zeigt sie in warmen Farben, lächelnd und in vorteilhafter Haltung.
Die Darstellung von Merkel und Maas ist also kein Zufall. Es ist gezielte Propaganda. Die AfD stellt manche Politiker so dar, dass sie beim Betrachter Wohlwollen auslösen, und andere so, dass sie Abneigung erzeugen.
Dadurch beeinflusst sie die Menschen unterbewusst. Inhalte sind zweitrangig, weil der Betrachter über lange Zeit das Gefühl bekommt, dass er den einen Politikern trauen kann und den anderen nicht. Dass diese Methode funktioniert, hat der Stürmer gezeigt.
So sieht Propaganda aus: Oben “die Guten”, unten “die Bösen”.
Die anderen Parteien machen keine Propaganda
Zu guter letzt die Frage nach den anderen Parteien. Sind die besser? Wenn die CDU schlecht über die SPD spricht oder umgekehrt, machen sie es dann nicht genauso wie die AfD?
Auch hier lautet die Antwort: nein. Klar, wer Propaganda machen will, muss es so machen, wie die AfD. Auch die DDR-Presse nutzte die gleichen Techniken und auch die Nationalsozialisten haben sie nicht erfunden. Sie sind viel, viel älter.
Aber weder CDU noch SPD, weder FDP noch Grüne verlieren bei Instagram ein schlechtes Wort über die anderen Parteien. Sie hetzen einfach nicht. Jede der vier Parteien setzt ihre eigenen Schwerpunkte, aber sie schaffen es, dabei immer für die eigene Agenda zu werben, statt den Gegner als das Böse hinzustellen. So sieht eine demokratische Diskussion aus.
Lediglich die Linke kann sich einige Polemik gegen “die Reichen” nicht verkneifen. Auch da werden Vorurteile bedient. Aber es ist Welten von dem entfernt, was die AfD macht. Selbst wenn sich die Linke gegen Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin ausspricht, nennt sie dafür vier Argumente. Die sind zwar zugespitzt und vereinfacht, aber im Gegensatz zur AfD immerhin nicht erfunden. Und der Anteil der Hetz-Beiträge ist deutlich niedriger.
Kommen ohne Gut und Böse aus: Die übrigen der im Bundestag vertretenen Parteien. Nur die Linke setzt teilweise auf Propaganda.
Instagram ist eine der wichtigsten Quellen für Nachrichten
Bleibt die Frage, wie wichtig Instagram überhaupt ist. Zählt nicht eher, was Politiker bei den Reden im Bundestag und den Landesparlamenten sagen?
Nein. Für 18 bis 24-Jährige ist Instagram die Nachrichtenquelle Nummer eins. Auf Platz zwei folgt Facebook – wo fast alle Parteien ihre Instagram-Beiträge automatisch ausspielen lassen. Das, was SPD, CDU und Co., aber auch die AfD, bei Instagram teilen, ist also das, was ihre jungen Anhänger am meisten von ihnen mitbekommen. So ziehen sie sich ihren Nachwuchs heran. Im Falle der AfD passiert das mit Propaganda.
Fazit
- Die AfD verwendet für ihre Beiträge in Sozialen Medien Propaganda-Techniken.
- Das passiert systematisch. Die Techniken sind weder neu noch etwas Besonderes. So machten schon die Nazis Propaganda.
- Weder CDU noch FDP, Grüne und SPD setzen diese Techniken ein. Die Linke teilweise. Aber die AfD setzt sie immer ein. Und das in einer Stärke, die mit keiner anderen Partei vergleichbar ist.
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