Fünf falsche Hoffnungen halten uns davon ab, klug auf Donald Trump zu reagieren. Je schneller wir sie überwinden, umso besser.
Als Donald Trump seine Zölle für die meisten Länder der Welt in der vergangenen Woche pausierte, reagierten die Börsen, als habe der US-Präsident einen Wirtschaftsboom ausgelöst: Viele wichtige Indizes schossen binnen eines Tages um zehn bis zwölf Prozent nach oben. Dabei hat Trump die Krise, wegen derer die Kurse vorher wochenlang fielen, nur aufgeschoben. Andere Krisen bestehen weiter unverändert:
- Die Zölle, wegen derer viele Wirtschaftsexperten eine neue Weltwirtschaftskrise fürchten, treten nach derzeitigem Stand 90 Tage später dennoch in Kraft.
- Trump verhängte einen 145-Prozent-Zoll gegen den wichtigsten Handelspartner der USA, China, und Zusatzzölle von zehn Prozent für den Rest der Welt.
- Der Präsident will weiterhin Grönland annektieren, den Panamakanal unter US-Kontrolle bringen und Russland in der Ukraine weitgehend freie Hand lassen.
- All das verheißt weiterhin Probleme für Wirtschaft, Börsen und die Welt allgemein.
Wir verklären Donald Trump immer noch
Obwohl die Welt während der ersten drei Monate von Trumps Amtszeit Gefahren ins Auge starrt, die sie vorher jahrzehntelang für unmöglich hielt, reagieren die Börsen auf Trumps Zollpause, als werde alles gut. Sie verdeutlichen, wie bereitwillig wir uns bei Trump noch an überzogene Hoffnungen klammern.
Damit wiederholen wir einen alten Fehler. Beobachter glaubten schon häufig in Zeiten, in denen alle Zeichen auf Sturm standen, alles werde gut. SPD-Abgeordnete beklatschten 1933 Adolf Hitlers irreführend benannte „Friedensrede“ unter Tränen, als dieser die Mitglieder der Partei schon längst verfolgen und einsperren ließ. Die britische Zeitung „The Times“ schrieb über Hitlers Ansprache: „Gestern hat die Welt zum ersten Male den Staatsmann Hitler gesehen.“ Der britische Premier Neville Chamberlain erklärte noch 1938, Hitler sei ein Mann des Friedens.
Hätte die Welt Hitler durchgängig als den gesehen, als der er sich in seinem Buch Mein Kampf eindeutig zu erkennen gab, sie hätte ihn aufhalten können. Tat sie aber nicht.
Hitler lieferte natürlich das Extrembeispiel. Aber seine Geschichte und viele ähnliche warnen uns: Autokraten sagen meist sehr klar, was sie planen. Wir glauben ihnen nur zu selten. Wir finden immer wieder Wege, uns einzureden, es werde doch nicht so schlimm. Deswegen versäumen wir Chancen, das Schlimmste zu verhindern.
Auch Trump spricht schon seit Jahrzehnten von Zöllen. Uns sollte nicht überraschen, wenn er sie verhängt. Dennoch hofft die Welt auch bei Trumps anderen Ankündigungen, von Grönland bis zur Ukraine, dahinter versteckten sich weniger ernst gemeinte Ziele. Tun sie nicht. Um Donald Trump als den zu sehen, der er ist, sollten wir fünf Hoffnungen aufgeben, die uns nur von realistischem Handeln abhalten.
Falsche Hoffnung 1: Jetzt wird alles besser
Nach jeder haarsträubenden Trump-Entscheidung hoffen wir erneut: „Jetzt ist der Wahnsinn vorbei.“ Ab sofort agiere der US-Präsident sachlich. Wirtschaft und Welt erholen sich.
Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus hat Trump nichts getan, was auf eine Rückkehr zur Vernunft hindeutet. Er genießt Aufmerksamkeit. Die Zolldebatte bringt sie ihm. Das dürfte er als Erfolg verbuchen und mehr desgleichen tun, statt zurückzurudern.
Solange Trump im Amt bleibt, drohen neue Probleme und weitere Krisen. Das sind nach aktuellem Stand dreieinhalb Jahre. Noch liegen Trumps Beliebtheitswerte deutlich über 40 Prozent. Noch unterstützen ihn republikanische Stammwähler. Noch können es sich republikanische Politiker kaum leisten, seine Amtsenthebung zu fordern.
Das kann trotz Skandalen noch lange so bleiben: Die US-Amerikaner wählten Richard Nixon 1972 inmitten des Watergate-Skandals erneut als Präsident. Trump vereint wichtige Medien wie Fox News, X (ehemals Twitter) und weit-rechte Radiosender hinter sich, die jeden seiner Fehler schönreden. Seine Anhänger könnten ihm also ähnlich die Treue halten wie Nixon.
Wer wissen will, was uns in den kommenden 45 Monaten von Trumps zweiter Amtszeit erwartet, muss die vergangenen drei Monate mit 15 multiplizieren. Wirtschaft und Börsen, Sicherheit und Wohlstand droht eine immense Belastung.
Falsche Hoffnung 2: In spätestens drei Jahren sind wir Trump los
Auch nach der nächsten Wahl kann Trump durchaus US-Präsident bleiben. Trump selbst spricht von einer dritten Amtszeit. Zahlreiche Republikaner unterstützen ihn. Sein ehemaliger Chefberater, der reichweitenstarke weit rechte Radiomoderator Steve Bannon, stimmt bei Reden vor konservativen Interessenvertretungen seit Monaten „We want Trump (in ’28)“-Rufe an. Die Zuhörer stimmen ein.
Die Kampagne für eine dritte Amtszeit Trumps läuft also bereits. Hinter ihr stehen die gleichen Leute, die schon nach Trumps Amtsende 2021 den Sturm auf das Kapitol anstachelten. Damals ignorierte die Welt sie erst und konnte sie dann nur mit Mühe aufhalten.
Ob die Kampagne dieses Mal Erfolg hat, kann niemand sicher vorhersagen. Die Wahrscheinlichkeit liegt aber nicht bei null. Ich schätze sie auf 50 Prozent. Das heißt, wir müssen die Möglichkeit ernst nehmen, dass Trump über 2028 hinaus die USA regiert.
Wer verstehen will, was Trump für die Welt bedeutet, muss das Chaos der vergangenen drei Monate also womöglich nicht nur mit 15 multiplizieren, sondern mit 30 oder mehr.
Falsche Hoffnung 3: Ohne Trump wird alles besser
Verbieten die Gerichte Trump eine dritte Amtszeit – laut US-Verfassung müssten sie das –, dürfte er versuchen, ein Mitglied seines Clans als US-Präsident zu ermächtigen: Verwandtschaft wie Ivanka Trump, sein jetziger Vize-Präsident JD Vance, andere treue Gefolgsleute.
In den USA begünstigt das Vorwahlsystem diesen Versuch. In diesen Vorwahlen bestimmt der harte Kern der Mitglieder von Republikanern und Demokraten den nächsten Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei. Dieser harte Kern steht bei den Republikanern derzeit entschlossen hinter Trump. Tut er das auch in drei Jahren noch, kandidiert für die Republikaner entweder Trump selbst oder ein Ersatz-Trump, der an dessen Auftreten und Inhalte anknüpft. Mit beiden erwartet die Welt mehr desselben Chaos der vergangenen Monate.
Falsche Hoffnung 4: Mit den Demokraten wird sicher alles besser
Selbst wenn 2028 ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht, bedeutet dies nicht automatisch gemäßigte Politik. Trump hat das politische System der USA nachhaltig geschwächt: weniger Machtkontrollen, weniger fähige Mitarbeiter im Staatsapparat. Dafür mehr Spaltung, mehr Gelegenheit für Korruption. In vielen anderen Ländern veränderten diese Schwächungen nicht nur wer regiert, sondern wie regiert wird.
Wohlstand und Sicherheit entstehen nicht durch die richtigen Politiker. Sie entstehen durch eine funktionierende Demokratie mit Gewaltenteilung, sicheren Rechten und klaren Machtkontrollen. Einmal zerstört, gewinnen Demokratien diese Errungenschaften schwer zurück. Sie gewinnen sie ganz sicher nicht, nur weil jemand anderes regiert. Diese Errungenschaften müssen neu aufgebaut werden. Das fällt schwerer, dauert länger und scheitert leichter als der Weg aus der Demokratie heraus.
Ein Beispiel:
- Trump hat Schlüsselpositionen in Gerichten und Verwaltung mit treuen Gefolgsleuten besetzt sowie Rechte kritischer Gerichte eingeschränkt.
- Die neue Regierung muss diese Leute austauschen, wenn sie handlungsfähig sein will, und den Gerichten ihre Rechte zurückgeben, wenn sie einen funktionierenden Rechtsstaat will.
- Eine funktionierende Demokratie schafft sie aber nur, wenn sie Trumps Gefolgsleute nicht gegen eigene Gefolgsleute tauscht, sondern gegen überzeugte Demokraten und auch ihr gegenüber kritischen Gerichten mehr Befugnisse einräumt.
- Tut die neue Regierung das, beschränkt sie aber ihre eigene Macht. Politiker tun dies nur ungern. Wollen sie viele von Trumps Entscheidungen zurückdrehen, legen sie sich damit auch selbst Steine in den Weg: Gerichte könnten sie ausbremsen. Schlimmstenfalls bleibt alles beim Alten.
- Die neue Regierung muss also einen Balanceakt vollbringen: Die Demokratie neu aufbauen, dabei aber wirklich Debatte und Vielfalt sicher: nicht zu weit gehen, nicht nur die eigene Überzeugung durchdrücken. Und das, während sich viele unter Trump entlassene erfahrene Staatsbedienstete längst neue Jobs gesucht haben und nicht einfach zurückkehren.
Dieser und ähnliche Balanceakte können einer neuen Regierung gelingen. Sie können aber auch scheitern. Wieder kann niemand genaue Wahrscheinlichkeiten nennen. Wieder bleibt aber sicher die Chance, dass Deutschland und Europa auch nach 2028 einer unzuverlässigeren, radikaleren USA begegnen als gewohnt.
Falsche Hoffnung 5: Wenn jemand Trump aufhält, wird alles gut
Derzeit hoffen viele Menschen, jemand könnte Trump noch vor 2028 stoppen. Gerichte, größere Proteste, Widerstand in der eigenen Partei.
Gut möglich, dass sich solcher Protest formiert. Er dürfte aber kaum friedlich zum Erfolg führen. Trumps gewaltbereite Unterstützer akzeptieren sein Ausscheiden aus dem Amt schon im Jahr 2021 nicht friedlich. Sie stürmten das Kapitol, sie verletzten Hunderte Polizisten und töteten einen. Trump selbst hat laut Berichten ehemaliger Berater mehrfach die Polizei angehalten, auf Demonstranten zu schießen. Bevor ein Protest Donald Trump aus dem Amt treibt, drohen gewalttätige Auseinandersetzungen. Womöglich sterben wieder Menschen.
Neu wäre so eine Situation für die USA nicht. Schon im Krisenjahr 1968 starben Protestierende. Damals protestierten vor allem Studenten und Bürgerrechtler gegen Rassengesetze und Vietnamkrieg. Treffen dieses Mal bewaffnete Milizen auf die Polizei, droht Schlimmeres.
Fazit
- Niemand weiß, wie lange Trump oder ähnlich populistische Präsidenten noch die USA regieren. Wir sollten uns aber darauf einstellen, dass sie es noch mindestens dreieinhalb Jahre tun, womöglich deutlich länger.
- Die Rückkehr zu einer Welt wie vor Trumps Amtsbeginn wird schwieriger, langwieriger und chaotischer, als wir glauben. Deutschland und Europa müssen jetzt für ihre Ziele auf der Welt einstehen. Warten und Hoffen liefern die schlechteste aller möglichen Reaktionen.
- Wie wir auf die Diagnose reagieren, müssen wir als Gesellschaft klären. Persönlich leite ich daraus direkte Folgerungen ab (militärische und energiepolitische Unabhängigkeit) und indirekte (die USA außenpolitisch zu mehr Rechtsstaatlichkeit zu drängen).
Wie wir Populismus erkennen und aus der Politik verbannen, erfahren Sie in meinem Buch „Es gewinnen alle oder keiner“.

Artikelbild: By The White House – https://www.flickr.com/photos/202101414@N05/54442805347/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=163413425.