Christian Masengarb

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Hans Rosling: Die Welt ist besser, als wir denken

Posted on 29. Oktober 201817. Dezember 2019 by Christian Masengarb

Wenn Hans Rosling einen Vortrag hielt, überschlug sich das Publikum vor Begeisterung. Zwar sprach der 2017 verstorbene Professor für Internationale Gesundheit stets zu Themen, die bei Zuschauern eigentlich Gähnen auslösen – Statistiken, Daten, Zahlen – doch sprühte seine Bühnenshow derart vor Witz und ehrlicher Begeisterung, dass seine Ted-Talks schon lange Kult sind.

Der Schwede schluckte Schwerter, stapelte IKEA Boxen, um die Bevölkerungsentwicklung zu symbolisieren, und zeigte, ganz alte Schule, mit einem langen Holzstab statt einem Laser Pointer auf die Offenbarungen seiner Grafiken. „Schaut euch das an!“, rief er dann so inbrünstig, dass das zweite Wort öfter das erste überholte.

Hans Rosling bei einem Vortrag.
Foto: Freddy Foss / Nordiske Mediedager, creative commons license

Roslings Auftritte waren mehr als Show. Der Schwede hatte jahrzehntelang Daten über die Welt gesammelt. Als er sie mit den Erwartungen der Menschen verglich, stellte er entsetzt fest: Die Welt ist völlig anders als wir denken. Unser gefühlter Eindruck ist weit von der Realität entfernt. Also zog er aus, um die Dinge gerade zu rücken – mit Charme, Visualisierungen und Humor.

Ein Beispiel: In seinem Buch Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist lädt Rosling den Leser gleich am Anfang zum Selbst-Test ein. Er listet dreizehn einfache Fragen über die Entwicklung der Welt auf. Dazu gibt er jeweils drei Antwortmöglichkeiten vor. Die sind so verschieden, dass die richtige eigentlich leicht zu finden sein müsste. Dennoch schafft es fast niemand. 

Testen Sie Ihr Wissen über die Welt mit Hans Rosling

Hier sind vier von Roslings Fragen für Sie zum Selbst-Test:

Nehmen Sie sich einen Stift und ein Blatt Papier und beantworten Sie die folgenden Fragen:

Frage 3: In den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil der in extremer Armut lebenden Weltbevölkerung …

A) nahezu verdoppelt.
B) nicht oder nur unwesentlich verändert.
C) deutlich mehr als halbiert.

Frage 10: Weltweit haben 30-jährige Männer durchschnittlich 10 Jahre lang eine Schule besucht. Wie viele Jahre haben gleichaltrige Frauen eine Schule besucht?

A) 9 Jahre
B) 6  Jahre
C) 3 Jahre

Frage 11: 1996 wurden der Tiger, der Riesenpanda und das Spitzmaulnashorn in die Liste der gefährdeten Tierarten aufgenommen. Wie viele dieser drei Spezies sind heute stärker vom Aussterben bedroht als 1996?

A) Zwei
B) Eine
C) Keine

Frage 12: Wie viele Menschen auf der Welt haben ein gewisses Maß an Zugang zu Elektrizität?

A) 20 Prozent
B) 50 Prozent
c) 80 Prozent

Die richtigen Antworten sind:

3: A – Der Anteil der in extremer Armut lebenden Weltbevölkerung
hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich mehr als halbiert.

10: A – 30-jährige Frauen haben durchschnittlich 9 Jahre
lang eine Schule besucht.

11: C – Keine dieser drei Spezies ist heute stärker vom
Aussterben bedroht als 1996.

12: C – 80 Prozent der Menschen auf der Welt haben ein gewisses
Maß an Zugang zu Elektrizität.

Einer von Hans Roslings TED-Vorträgen. Anschauen lohnt sich.

Wie haben Sie abgeschnitten? Wenn Sie oft weit daneben lagen, ärgern Sie sich nicht. Sie sind in guter Gesellschaft. Mit Ausnahme einer Frage zum Klimawandel wusste in allen Ländern die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer nicht die richtigen Antworten. Von den 12 000 Befragten im Jahr 2017 fand keiner alle richtigen Antworten, nur einer schaffte es mit einem Fehler. Der Rest war größtenteils deutlich schlechter. Selbst die überwältigende Mehrheit der von Rosling befragten Politiker und hochrangigen Journalisten lag daneben.

Nehmen wir als Beispiel die Antworten auf Frage 3:

Quelle:  Hans Roslings Buch „Factfulness“, erhältlich bei Amazon.

Die weltweite Armutsentwicklung schätzte nur in den skandinavischen Ländern mehr als jeder Zehnter richtig ein. Dort ist Rosling schon seit Jahren mit seiner Botschaft auf Media-Tour, vermutlich trug das zum Spitzenplatz bei.

Selbst die Spitzenwerte sind allerdings ein Desaster. Hält man einem Affen für jeder der drei Antwortmöglichkeiten einer Frage eine Banane hin, er würde sich in einem von drei Fällen oder 33 Prozent für die richtige entscheiden. Damit schlagen ahnungslose Affen selbst die vorgebildeten Schweden deutlich, die Deutschen deklassieren sie sogar. All unser Wissen hilft uns also nicht, die Welt besser einzuschätzen – es schadet uns.

Hans Rosling: Wir schätzen die Welt zu schlecht ein

Noch brisanter: Unser Wissen ist nicht nur falsch, es ist systematisch falsch. Roslings Fragen sind nämlich eigentlich ganz einfach. Wer davon ausgeht, dass die Welt immer besser wird, macht mühelos alles beim ersten Versuch richtig. Weil aber die Mehrheit glaubt, dass alles immer schlechter werde, schätzen sie die Entwicklungen völlig falsch ein.

Auch Bildung hilft nicht für ein besseres Weltbild. Universitätsprofessoren schneiden genauso schlecht ab wie alle anderen. Rosling: „Jede Gruppe, die ich befrage, glaubt, die Welt sei weitaus bedrohlicher gewalttätiger und hoffnungsloser – in einem Wort: dramatischer – als sie in Wirklichkeit ist.“

Diese fehlgeleitete Überzeugung wird zum Problem, wenn sie die Grundlage von Wahlentscheidungen wird. Nur wer die Welt korrekt einschätzt, kann gute Wahlentscheidungen treffen. Wer die Welt als immer gefährlicher werdenden Ort sieht, unterstützt leichter radikale Meinungen. Extreme Parteien wissen das und zeichnen gezielt das Bild einer hoffnungslosen Welt, vor der angeblich nur sie die Menschen retten können. Ein realistisches Weltbild zöge dem Extremismus den Boden unter den Füßen weg.


Bestes Beispiel für die Folgen eines zu negativen Weltbilds: Für einige Anhänger Donald Trumps gehört eine vage Wut über den angeblichen Verfall der Welt zu den Hauptgründen, warum sie Trump unterstützen. Deswegen kam dessen aggressive Rhetorik so gut an. Sogar Anhänger des linken Kandidaten Bernie Sanders wählten teilweise lieber Trump als Hillary Clinton, weil sie an ein ähnliches Weltbild glauben,

Fazit

  1. Die Welt wird immer besser. Es gibt weniger Armut, weniger Hunger, weniger Krankheiten, weniger Krieg.
  2. Viele Menschen schätzen die Entwicklung zu schlecht ein. Deswegen ist ihr Weltbild ungenauer als das von Affen, die nach dem Zufallsprinzip entscheiden.
  3. Die negative Weltsicht bietet Nährboden für Extremismus. Bei Wahlentscheidungen sollten wir bedenken, dass die Welt immer besser wird und dass wir das grundlegende System dieses Erfolgs vor allem nicht erschüttern sollten.

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Über den Autor

Christian Masengarb ist Redakteur bei FOCUS online, Politikwissenschaftler und Historiker.

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