Schrieben und redeten viele Westdeutsche nicht so ahnungslos über die AfD, die Partei wäre nie in ein Parlament eingezogen. In Wahrheit denken viele ihrer Wähler so rechts wie ihre Politiker. Zeit, das so zu benennen.
Wer die Meinungen vermeintlich überzeugter Demokraten zur AfD hört oder liest, muss glauben, Millionen Deutsche wählen Björn Höcke, Alice Weidel und Co. aus nachvollziehbaren Gründen:
- Die Ampel zwinge Menschen zur Protestwahl, sagen Konservative, die keine Regierung ohne Union verkraften.
- Die Miesmacherei von Merz und Söder helfe Populisten, entgegnen Grüne und SPDler, die die Schuld immer bei CDU und CSU suchen.
Alle nutzen die AfD, um jene anzugreifen, die sie immer angreifen. Sie berichten heute über AfD-nahe Pfarrer, die politische Gegner als Teufelsjünger sehen, und schreiben morgen, SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil sei am Aufstieg der Rechtspopulisten schuld, übersehen aber, wie unmöglich beide Aussagen zusammenpassen. Die meisten AfD-Wähler wissen nicht mal, wer Lars Klingbeil ist.
Wer so spricht oder schreibt, rechtfertigt die größte Lüge der AfD: dass es legitime Gründe gibt, sie zu wählen. Die armen AfD-Wähler tun nach diesen Erzählungen, wozu sie böse Grüne oder Ewig-Gestrige zwingen. Das Kreuz bei Rechtsradikalen scheint als logische Reaktion auf tatsächliche Probleme.
Ist es aber nicht.
Schuld am AfD-Aufstieg sind ihre Wähler, niemand sonst
Ein Kreuz bei der AfD ist genauso wenig nachvollziehbarer Protest, wie Brandstiftung unter Nachbarn nachvollziehbares Problemlösen ist. Ein Kreuz bei der AfD ist genauso wenig übersteigertes Einstehen für konservative Werte, wie eine Schlägerei zwischen Fußball-Hooligans übersteigerte Sportbegeisterung ist.
Wer die AfD wählt, offenbart sich als jemand, der die Welt brennen sehen will. Will er es nicht, sollte er sie nicht wählen.
Schuld am Aufstieg der AfD sind ihre Wähler. Niemand sonst.
Die AfD nutzt weit verbreitete Denkweisen
Erst wenn wir aufhören, AfD-Wähler als durch äußere Zwänge fehlgeleitete Musterdemokraten abzutun, erkennen wir das eigentliche Problem.
Ich bin im Landkreis Sonneberg – dem ersten Landkreis, der einen AfD-Landrat wählte –, in einer Jugendkultur aufgewachsen, in der es nur ganz links und ganz rechts gab. Alles dazwischen galt als neutral und irgendwie seltsam. „Es muss sich ja was ändern.“ Hauptsache dagegen. Wogegen auch immer.
Für den Osten nicht untypisch. Auch der Westen kennt seine Grantler.
Die meisten lassen das Dagegensein irgendwann hinter sich. Einige bleiben grundsätzlich gegen alles. Sie wollen sich nicht einigen. Sie wollen sich aufregen. Dafür brauchen sie ein politisches Ventil.
Wer von Protestwählern spricht, verharmlost den Schrecken
Derzeit bietet die AfD dieses Ventil. Weil sie so schlecht über die Welt redet, wie diese Leute, und weil Journalisten und andere Meinungsführer ihre Aussagen aus Eigeninteresse legitimieren, setzen immer mehr Menschen ihr Kreuz bei Rechtsradikalen.
„Rechtsradikale wählt man nicht“ wich dank kräftiger Mithilfe von Demokraten „Bei diesen Ampel-Stümpern darf man das“. Diese Demokraten haben den Schrecken verharmlost.
Dadurch beschäftigen sich auch näher an der Mitte stehende Menschen mit der AfD. Einige von ihnen rutschen in ihre Filterblasen ab und radikalisieren sich. Ohne Verharmlosungen wäre das nicht passiert.
Wer einmal gegen alles ist, bleibt es sein Leben lang
Derzeit denken viele, die AfD vergehe irgendwann von selbst: Neue Regierung, neue Opposition, alles wird gut.
Wird es nicht.
Populismus baut sich wie eine Welle über Jahrzehnte auf: verschiedene Parteien und mehrere Wechsel von rechts nach links. Gestern PDS, heute AfD. Was kommt morgen?
Wer als Erwachsener einmal grundsätzlich gegen alles ist, bleibt es meist sein Leben lang. Nach und nach rutschen immer mehr Menschen in die Populismus-Falle. Irgendwann gewinnen Populisten die Wahl.
Wer Söder mit Höcke gleichsetzt, macht sich zum Wahlhelfer der AfD
Wollen wir nicht irgendwann von Faschisten und Rechtsradikalen regiert werden, muss sich das ändern. Wir dürfen unseren Unmut über Regierung oder Opposition nicht auf AfD-Wähler übertragen. Wir müssen klarer unterscheiden.
Wer Söder oder Habeck mit Wagenknecht und Weidel gleichsetzt, sollte sich auf die Gehaltsliste der Demokratiefeinde eintragen. Wer Ampel oder Opposition als Rechtfertigung für die Unterstützung von Menschenfeinden anführt, ebenfalls.
Wie wir Populismus erkennen und aus der Politik verbannen, erfahren Sie in meinem Buch „Es gewinnen alle oder keiner“.
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