Es ist grotesk: Österreichs Vize-Kanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trifft sich auf Ibiza mit einer angeblichen Oligarchen-Tochter. Er sichert ihr Staatsaufträge gegen Wahlhilfe zu. Er erklärt ihr, wie sie seiner Partei illegal Geld spenden kann. Und er wirkt dabei seltsam routiniert. Besonders, als er damit prahlt, wie viele wohlhabende Österreicher der FPÖ schon illegal spenden.
Doch als das alles öffentlich wird, ist es Strache nur „peinlich“. Von Schuld will er nichts wissen. Er spricht von einer Falle und Spionage. Er sagt, dass ausländische Mächte den österreichischen Wahlkampf beeinflussen wollen. Und dass er nur getan habe, was jeder Politiker gelegentlich tut. Er lässt keinen Zweifel: Er ist der Gute, die anderen die Bösen.
Das ist Irrsinn, klar. Warum soll es gleich eine Verschwörung sein, wenn die Österreicher erfahren, dass ihr Vize-Kanzler gerne mit reichen Russen einen drauf macht? Wenn das so normal wäre, warum gibt es ähnliche Videos weder von Angela Merkel noch von Martin Schulz? Und können sich Mitglieder einer Regierung, die ihre Menschen vielerorts überwacht und filmt, wirklich beschweren, wenn es ihnen auch einmal so geht? Was Strache sagt, ist Wahnsinn.
Der Fall Strache zeigt: Rechtspopulisten kann man nicht trauen
Doch es wird noch verrückter. Denn obwohl sich die FPÖ mit der Strache-Affäre unwählbar gemacht hat, hat der gestrigen Europa-Wahl knapp jeder fünfte Österreicher (17,2 Prozent) sein Kreuz bei den Rechtspopulisten gesetzt. Egal, wie lächerlich es sein mag, wenn sich Strache als das Opfer einer Verschwörung inszeniert – es gibt genügend Menschen, die ihm das bereitwillig glauben.
Das ist das eigentliche Problem mit dem Populismus: Er verblendet seine treuesten Anhänger derart, dass sie ihrer Partei fast blind nachlaufen. Die Anführer können sich alles erlauben – und machen das auch.
Das Verhalten Straches ist kein Zufall. Es ist die logische Folge des Selbstverständnisses der Rechtspopulisten. Sie verkaufen sich als Retter ihres Landes. Als Saubermänner, die den Laden in Wien aufräumen wollen und Schluss machen mit Schacherei und Eliten-Herrschaft. Als Helden, die um den Erhalt Österreichs kämpfen – und gegen angebliche Feinde von innen und außen. Auch Strache drischt dieses Denkmuster bei jeder Gelegenheit, selbst bei seinem Rücktritt.
Spätestens seit dem Ibiza-Video ist klar, welcher Unsinn das ist. Wer der FPÖ aber ihr Freund-Feind-Schema glaubt, muss sie auch nach dem Strache-Skandal noch wählen. Er braucht die Rechtspopulisten, weil er es nur ihnen zutraut, Österreich vor den angeblichen Feinden zu schützen. Wenn die FPÖ dabei unlautere Mittel anwenden muss, ist das ihren Anhängern immer noch lieber, als Österreich einem angeblichen Feind zu überlassen. Wer glaubt, dass das Land in Gefahr ist, sieht seinem Retter alles nach.
Oder er schwingt sich selbst zum Retter auf – und tritt der FPÖ bei. Auch dann glaubt er, sich im Kampf für das Gute und gegen das Böse alles erlauben zu dürfen. Ja, sogar sich alles erlauben zu müssen.
In der Führungsriege der Rechtspopulisten sitzen also zwei Typen von Menschen: Die, die das Freund-Feind-Schema zum Wählerfang einsetzen und denen es eigentlich nur um Macht geht. Und die, die diesen Unsinn selbst glauben und deswegen zu allem bereit sind. Keinem von beiden kann man trauen.
Das gilt nicht nur für die FPÖ. Sondern auch für die AfD und Trump, Le Pen in Frankreich und Salvini in Italien. Es gilt generell und weltweit. Und es galt schon immer: Wer glaubt, der Verteidiger des Guten und Richtigen auf der Welt zu sein, ist entweder verrückt, machtgierig oder verblendet. Trauen sollte man ihm nicht.
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