Christian Masengarb

Populismus einfach erklärt

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Alles, was Sie über russische Propaganda wissen müssen, in vier Punkten

Posted on 2. Februar 202527. Februar 2025 by Christian Masengarb

Früher erfand Propaganda Scheinwelten. Wladimir Putin setzt auf Verwirrung. Weil alle Populisten diese Taktik kopieren, sollte sie jeder deutsche Wähler kennen.

Als Wladimir Putin am 24. Februar 2022 aus seinem Büro im Kreml den Überfall Russlands auf die Ukraine begründet, tut er das wie ein klassischer Propagandist: Der Westen wolle Russland vernichten, sein Land müsse sich verteidigen. Wie alle Diktatoren verkauft er seine Grausamkeit als notwendiges Übel im Kampf gegen das Böse. Doch hinter seinen Worten steckt mehr.

Jahrhundertelang erfanden Propagandisten Scheinwelten. Adolf Hitlers jüdische Weltverschwörung, die kommunistische Erzählung vom imperialistischen Westen: Wer Menschen manipulieren wollte, erdachte in sich geschlossene, alternative Weltbilder, die vermeintlich alles erklärten. Herrscher wie Hitler füllten dicke Bücher mit wirren Theorien und erzogen Kinder, sie als genialen Geschichtsversteher zu verehren.

Putin brach mit dieser Tradition. Er verwendete eine neue Form von Propaganda, die heute Populisten weltweit einsetzen. Wer den Populismus in Deutschland verstehen will, muss diese neue Form der Propaganda verstehen und wieso Putin sie seit dem Ukraine-Krieg mit klassischer Meinungsmache vermischt.

1. Sowjetische Propaganda wollte eine Scheinwelt, Putin will Lähmung

Statt eine Scheinwelt zu erschaffen, fördert Putins neue Propaganda Zweifel und Teilnahmslosigkeit. Statt Menschen von einer Meinung zu überzeugen, hält sie Menschen davon ab, sich politisch zu engagieren. Dann tut der Herrscher, was er will.

Dazu vermittelt Putins Propaganda zwei Überzeugungen:

  1. Politische Beteiligung ist sinnlos und gefährlich. Nur Narren nehmen aktiv an der Politik teil.
  2. Wahrheit ist relativ. Es gibt keine objektive Wahrheit, daher lohnt es sich nicht, nach ihr zu suchen.

Diese Überzeugungen machen Gesellschaften wehrlos. Menschen, die meinen, die Politik habe sie verraten und betreibe undurchsichtige Geschäfte, handeln nicht selbst. Sie fühlen sich hilflos. Sie sehnen sich nach starken Herrschern, die sie von dieser Hilflosigkeit befreien. Putin verkauft sich als dieser starke Herrscher.

Dieselbe Strategie funktioniert in allen Ländern. Die meisten Populisten kopieren sie daher inzwischen.

2. Die vier Werkzeuge von Putins Propaganda

Diese zwei Überzeugungen redet Putins Propaganda den Menschen ein, indem sie vier Dinge tut:

  1. Sie sät Zweifel an der Wahrheit selbst: Russische Propaganda sät Zweifel, dass es in der Politik überhaupt Wahrheit gibt. Begeht Russland Kriegsverbrechen in der Ukraine, lautet die Verteidigung nicht: „Das ist nicht wahr, wir haben es nicht getan“, sondern: „Niemand kann mit Sicherheit wissen, was wirklich passiert ist. Also besteht die Chance, dass wir es nicht getan haben.“
    Benutzt Björn Höcke mal wieder ein Nazi-Zitat, behauptet der thüringische AfD-Chef nicht, das Zitat nicht benutzt zu haben. Der Geschichtslehrer behauptet, nicht gewusst zu haben, dass es ein Nazi-Zitat ist, und dass niemand beweisen könne, dass er es wusste. Die Menschen erstarren in Unsicherheit. Gleiches System.
  2. Widersprüchlichkeit und Inkonsistenz: Der Kreml verbreitet oft mehrere widersprüchliche Botschaften gleichzeitig: „Es ist nicht passiert“ und „Es ist passiert, aber jemand anderes war schuld.“ Diese Widersprüchlichkeit schürt Verwirrung und Resignation.
    Die AfD forderte während der Corona-Pandemie erst harte Lockdowns und erklärte Lockdowns dann für diktatorisch. Sinn ergab das nicht. Aber es verwirrte die Menschen, bis diese gar nicht mehr nach Wahrheit suchten. Zurück blieb das Gefühl, die Bundesregierung vermassele die Pandemiebekämpfung und verfolge düstere Absichten.
  3. Informationsüberflutung: Putins Propaganda bringt zu einem Ereignis zahlreiche widersprüchliche Versionen in Umlauf: „Es ist nicht passiert“, „Die Ukraine hat es getan“, „NATO steckt dahinter“, „Es war eine Inszenierung“, „Russland war gezwungen zu handeln“. Die Reizüberflutung zermürbt die Menschen, bis sie folgern, dass keine Version der Wahrheit glaubwürdig ist.
    In der Migrationsdebatte überschüttet die AfD die Wähler daher mit Einzelfallberichten von Kleinkriminellen mit Migrationshintergrund, während sie deutsche Schwerverbrecher verschweigt. Die Reizüberflutung soll eine sachliche Meinung verhindern.
  4. Nutzung bestehender Überzeugungen: Russische Propaganda versucht nicht, neue Ideologien zu erschaffen, sondern nutzt bereits vorhandene Einstellungen. Sie verstärkt bestehende Ängste und Ressentiments, um Gesellschaften in die politische Lähmung zu treiben. Ihr Ziel ist es nicht, direkte Unterstützung für Russland zu gewinnen, sondern demokratische Systeme unregierbar zu machen, indem sie bestehende Spaltungen vertieft.
    Die AfD nutzt diesen Trick, indem sie an Ost-West-Klischees, Fremdenfeindlichkeit und fast alle Verschwörungstheorien des Internets anknüpft.

3. Heute vereint Russlands Propaganda die Stile Putins und der Sowjetunion

Seit dem Überfall auf die Ukraine nutzt Putin wieder mehr Propaganda der sowjetischen Form „alternative Realität“. Postfaktische Skepsis („Glaubt an nichts und niemanden.“) mischt sich mit einer klaren ideologischen Botschaft („Wir haben die Wahrheit.“).

Putin braucht diese widersprüchliche Mischung, weil er von seinem Land große Opfer im Krieg gegen den Westen verlangt. Diese Opfer bringt nicht, wer an nichts glaubt. Diese Opfer bringen nur Fanatiker. Wer Fanatiker erziehen will, muss ihnen eine klare Ideologie einreden.

Westliche Populisten wie die AfD und Trump nutzen die gleiche Mischung. Auch sie bevorzugen überzeugte Anhänger. Also reden sie Skandale nach Putins Verwirrungsmuster klein, während sie ihre Anhänger mit Ideologie zu Fanatikern erziehen. Sie interessieren sich nicht für Wahrheit und Falschheit. Für sie zählt nur die emotionale Wirkung einer Botschaft auf die Anhänger.

4. Wir halten Putin auf, indem wir entspannt-überzeugte Demokraten bleiben

Wollen wir nicht irgendwann auch unter einem Herrscher wie Donald Trump oder Wladimir Putin leben, müssen wir uns der Lähmung widersetzen, die sie in unserer Gesellschaft schüren.

  1. Nicht auf russische Narrative hereinfallen: Russland bietet keine echte Alternative zum Westen. Es ist ein korruptes System, das nichts außer Gewalt und imperialistischen Mythen liefert.
  2. Den Kreml nicht die Debatte diktieren lassen: Wenn Befürworter der Ukraine einander als „russische Agenten“ bezeichnen, hilft das nur Russland. Diskurs muss sachlich und faktenbasiert bleiben.
  3. Nicht in Panik verfallen: Russische Propaganda will westliche Gesellschaften in eine selbstzerstörerische Hysterie treiben. Wir sollten nicht überreagieren, sondern besonnen auf Desinformation reagieren.
  4. Die Demokratie von innen stärken: Die beste Verteidigung gegen russische Propaganda ist eine funktionierende Demokratie. Die erhalten wir, indem wir uns politisch betätigen. Setzen wir uns für Ziele ein. Treten wir einer Partei bei.
  5. Russland nicht unterschätzen, aber auch nicht überschätzen: Russische Einmischung in westliche Wahlen ist real, aber oft inkompetent. Das Kreml-Narrativ, dass westliche Demokratien „am Abgrund stehen“, ist übertrieben – es dient ihrem eigenen Zweck.
  6. Aktiv gegen russische Propaganda vorgehen: Der Westen sollte nicht nur defensiv auf Desinformation reagieren, sondern selbst offensive Informationskampagnen starten – in den eigenen Gesellschaften und auch in Russland selbst.
  7. Nicht auf andere hoffen, selbst aktiv werden: Statt zu hoffen, jemand anderes kümmere sich um die ersten sechs Punkte, sollten wir alle unseren Beitrag dazu leisten. Fragen wir nicht, was irgendjemand tun sollte. Fragen wir, was wir tun können. Dann tun wir es.

Die gleichen Methoden helfen gegen alle Populisten. Setzen wir uns für die Demokratie ein. Treten wir Falschinformationen entgegen. Und vermitteln wir dabei die Zuversicht, die bessere, stärkere Option zu liefern. Aber machen wir etwas, statt uns in die Lähmung zu ergeben, die sie uns einreden wollen.

Wie wir Populismus erkennen und aus der Politik verbannen, erfahren Sie in meinem Buch „Es gewinnen alle oder keiner“.

Es gewinnen alle oder keiner - Christian Masengarb
Es gewinnen alle oder keiner – Christian Masengarb

Artikelbild: By Kremlin.ru, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=158739586

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Es gewinnen alle oder keiner. Wie wir uns vor dem Populismus retten. Christian Masengarb

Über den Autor

Christian Masengarb ist Redakteur bei FOCUS online, Politikwissenschaftler und Historiker.

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