Die AfD ereifert sich gerne über Straftaten. Doch Niels Högel, der schlimmste Serienmörder der BRD, lässt die Partei kalt. Weil er Deutscher ist.
Der Fall Niels Högel macht wütend. Der Krankenpfleger hatte hunderte Patienten vergiftet, weil er sie wiederbeleben und so seine Kollegen beindrucken wollte. Das ging meist schief. Also wurde Högel zum schlimmsten Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das Landgericht Oldenburg verurteilte ihn wegen 85-fachen Mordes zu lebenslanger Haft, wegen dreifachen Mordes war er bereits verurteilt. Insgesamt ermittelte die Polizei in 332 Fällen wegen Mordverdacht. Weil viele Opfer eingeäschert wurden, lassen sich die meisten Taten aber nicht mehr nachweisen.
Högel nahm aus Größenwahn den Tod hunderter Menschen in Kauf. Er handelte ohne Mitgefühl, ohne Moral, ohne Menschlichkeit. Und wäre er nicht gestoppt worden, er hätte noch hunderte Patienten mehr umgebracht.
Niels Högel? Egal. Die AfD konzentriert sich lieber auf die unwichtigen Dinge
Nun reagiert jeder Mensch unterschiedlich auf derartige Fälle. Manche explodieren vor Wut, andere schütteln nur mit dem Kopf. Aber der Fall Högel sollte jeden zur maximalen Erregung treiben. Egal, wie die aussieht.
Die Ausnahme: die AfD. Die ereifert sich auf ihrem Instagram-Account zwar sofort, wenn ein Asylbewerber auch nur einen Grashalm umknickt. Sie kann sich reinsteigern, sie kann wüten und sie kann Schaum vor dem Mund bekommen. Doch dem schlimmsten Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte widmet die Partei nicht ein Wort. Auch auf Twitter und Facebook – nichts. Kein Pieps.
Das zeigt: Die AfD ist eine Partei für die unwichtigen Dinge. Macht eine 16-Jährige absurde Anschuldigungen, können die selbsterklärten Retter Deutschlands diese ausschmücken und so tun, als ginge die Welt unter. Dabei ist nichts passiert. Geschieht aber tatsächlich Unfassbares, fällt ihnen nichts ein. Passt nicht ins Weltbild? Interessiert die AfD nicht. Nächstes Thema.
Sensationsgeil ist die AfD nur, wenn es ins Weltbild passt
Die AfD kämpft Schein-Kriege statt echte Probleme zu lösen. Sie ist die die politische Version eines pubertären Teenagers. Sie meint, ohnehin schon alles zu wissen. Wer ihr zustimmt, ist ein Held, der die Wahrheit erkennt. Wer anderer Meinung ist, ist verblendet oder ein Idiot. Was in das vorgegebene Weltbild passt, wird aufgeblasen. „Seht her, wir haben recht!“ Was nicht passt, wird hilflos unter den Tisch gekehrt.
Ein weiteres Beispiel: Eine Messerattacke in Bremen, bei der die Polizei weder die Hautfarbe des Täters angibt noch, ob er einen Migrationshintergrund hat. Die AfD bekommt sofort Schaum vor dem Mund. Auf Facebook regt sie sich auf, wie feige die Beamten doch sein müssen. Diese wichtigen Informationen wegzulassen! Die Botschaft zwischen den Zeilen: Da hat ein dunkelhäutiger Migrant einem ehrlichen Deutschen heimtückisch ein Messer reingerammt. Feige und hinterhältig. Wie diese Migranten halt so sind. Aber die da oben sagen es nicht.
Doch dann stellt sich heraus, dass es umgekehrt war. Die Tat hatte einen islamfeindlichen Hintergrund. Das ehrliche Opfer war dunkelhäutig, der heimtückische Täter deutsch.
Plötzlich werden die Verteidiger des Abendlandes kleinlaut: Gerade einmal fünf Zeilen widmen sie dem Update auf Facebook. Ein kurzer Gruß an das Opfer. Irgendwas muss man ja sagen. Wenigstens so tun, als ginge es hier um etwas anderes als schlecht getarnten Fremdenhass. Aber die übliche Sensationsgeilheit? Weg. Auf Instagram gibt es gar kein Update.
Hieße Niels Högel Niels Hamid, die AfD wäre explodiert
Das ist kein Zufall. Es ist Strategie. Verhält sich jemand schlecht, der zu unserer Gruppe gehört, schreiben wir ihm den Fehler instinktiv selbst zu. Wir sagen: „Der Typ ist ein Depp.“ Verhält sich aber jemand schlecht, den wir als Teil einer anderen Gruppe sehen, schreiben wir den Fehler der Gruppe zu. Wir sagen: „Alle Franzosen sind Deppen.“ Oder eben alle Münchner oder Berliner, alle Fans von Schalke oder Dortmund, oder alle Moslems und Ausländer. Diesen Denkfehler wollen die Populisten ausnutzen.
Wäre aus Niels H. nicht irgendwann Niels Högel geworden sondern Niels Hamid, die AfD hätte zwei Jahrzehnte von nichts anderem geredet. Jedes kleinste Problemchen wäre diesen bösen Typen zugeschrieben worden, die alle genau wie dieser eine Massenmörder aussehen. Die AfD hätte ihr Feindbild genossen. Sieht der Massenmörder aber aus wie wir, funktioniert der Trick nicht. Also interessiert er die Partei nicht.
Wer auf die AfD reinfällt, geht billigen Tricks auf den Leim. Damit rettet er weder Deutschland noch das Abendland. Egal welche politischen Ziele jemand erreichen will, bei einer Partei, die derart an der Realität vorbei lebt wie die AfD, ist er immer an der falschen Adresse.
Artikelbild: Screenshot Youtube
Mehr über Populismus erfahren Sie in meinem Buch “Es gewinnen alle oder keiner”.