Seit US-Vizepräsident JD Vance in seiner Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz Europa allerhand Absurdes unterstellt hat, begehen wir Europäer den gleichen Fehler, den wir immer im Umgang mit Populisten begehen. Vance stellte das Engagement der USA in der NATO infrage, ignorierte die Ukraine und behauptete, die größte Gefahr für Europa sei nicht Wladimir Putin, sondern die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Dasselbe Muster, das Trump & Co. allen Andersdenkenden unterstellen, nur diesmal auf Europa bezogen.
Doch anstatt die größeren Zusammenhänge zu betrachten, konzentrieren sich Politiker und Medien fast ausschließlich auf einzelne Aussagen. Sie reagieren, statt zu handeln. Das ist ein Fehler, den wir korrigieren sollten.

Warum Populisten uns ihre Agenda aufzwingen
Als Donald Trumps Vizepräsident vertritt JD Vance eine Regierung, die die Demokratie angreift. Eine Regierung, die die Unabhängigkeit von US-Nachbarländern infrage stellt und nur für freie Meinungen wirbt, solange diese ihrer eigenen Meinung entsprechen. Widerspruch geißeln sie als Unterdrückung, bei Lügen berufen sie sich auf Meinungsfreiheit. Wie ein Sechsjähriger, der behauptet, „2 + 2 = 5“ sei eine Meinung.
Am deutlichsten wird dieser Widerspruch an zwei Punkten:
- In seiner Rede auf einer Sicherheitskonferenz erwähnt JD Vance die Ukraine mit keinem Wort. Während er anderen Ländern vorwirft, die Bedenken ihrer Bürger nicht ernst zu nehmen, ignoriert er das eine Thema, das wirklich alle Bürger interessiert und das die Konferenz eigentlich lösen will.
- Laut Vance müssen Europäer Elon Musks Einmischung in unsere Wahlkämpfe hinnehmen, weil die USA zuvor Greta Thunberg „ertragen“ hätten. Der Vergleich hinkt: Musk ist einer der mächtigsten Menschen der Welt, beeinflusst Politik aktiv und besitzt mit X (früher Twitter) eine der größten Medien-Plattformen. Thunberg ist eine Aktivistin ohne politische Macht.
Weil wir Europäer uns zuallererst fragen, ob Vance recht haben könnte, schlucken wir diese Widersprüche. JD Vance will aber gar nicht die Wahrheit sagen:
- Hilfreiche Politiker diskutieren Probleme und realistische Lösungen.
- Populisten streuen Falschinformationen, verwirren und bauen Feindbilder auf.
Diesen Zusammenhang müssen wir als Gesellschaft verstehen. Behandeln wir Populisten nicht wie hilfreiche Politiker.
Kein Freund von Meinungsfreiheit und nimmt die Sorgen der Menschen nicht ernst: JD Vance.
Warum Faktenchecks nicht reichen
Populisten wollen mit Angriffen die Debatte kontrollieren, um von eigenen Fehlern und berechtigter Kritik abzulenken. Die Meinung der Menschen interessiert sie nicht.
Viele Medien und Politiker reagieren auf ihre Angriffe mit Faktenchecks. Sie prüfen, was an den Behauptungen von Trump, Putin und Vance stimmt und was nicht. Das ist wichtig – aber nicht genug.
Denn so bestimmen Populisten, worüber gesprochen wird. Anstatt Vance für sein Schweigen zur Ukraine anzugreifen, diskutieren wir, ob es in Europa wirklich Einschränkungen der Meinungsfreiheit gibt. Populisten werfen etwas in den Raum, alle springen darauf an.
Diskutieren wir Attacken von Populisten mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie ehrliche Lösungsvorschläge, verleihen wir diesen Attacken eine Glaubwürdigkeit, die sie nicht verdienen. Es wirkt, als stünden zwei gleichwertige Meinungen gegenüber. Stehen sie aber nicht. Das eine sind Erfindungen mit einer klaren Agenda. Das andere sind klar überprüfbare Fakten.
- Natürlich erlaubt Deutschland teils extremistischen Parteien wie der AfD, einen Wahlkampf zu führen, wie jede andere Partei auch.
- Natürlich beleidigen JD Vance, Donald Trump und Elon Musk Andersdenkende bei jeder Gelegenheiten.
- Natürlich sperrt das von der US-Regierung umworbene Russland Kritiker ein oder tötet sie.
Offensichtlich geht es hier nicht um Meinungsfreiheit. Offensichtlich schieb Vance hier ein Argument vor. Fallen wir nicht darauf herein.
Kein Freund von Gleichberechtigung: JD Vance. Wähler der Republikaner, Vance Partei, haben im Schnitt etwas mehr Kinder als Wähler der Demokraten. Ihnen mehr Stimmen zu geben, dient also Vance selbst auf Kosten Gleichberechtigung.
Wir brauchen eine Gegenattacke
Solange wir mit Menschen reden, die nach dem Motto „Attacke, Attacke, Attacke“ handeln, dürfen wir nicht nur brav auf „Verständnis, Verständnis, Verständnis“ setzen. Populisten verstehen das als Schwäche und attackieren weiter. Wir brauchen eine durchdachte Gegenattacke. Wehren wir uns endlich!
Dazu bieten sich uns drei Chancen:
- Populisten zur Rechtfertigung zwingen: Statt nur ihre Aussagen zu widerlegen, sollten wir sie selbst in Erklärungsnot bringen. Warum ignoriert Vance die Ukraine? Warum verteidigt er Autokraten, während er sich als Verteidiger der Demokratie inszeniert?
- Die Themen bestimmen: Wir dürfen nicht zulassen, dass Populisten uns in von ihnen gewählte Debatten zerren. Stattdessen müssen wir die wirklichen Probleme auf die Agenda setzen.
- Eine starke gesellschaftliche Gegenbewegung aufbauen: Populismus ist ein gesellschaftliches Problem. Die Antwort darauf kann nicht nur von der Politik kommen. Medien, Wissenschaft und Bürger müssen sich zusammenschließen, um eine faktenbasierte, nachhaltige Debattenkultur zu etablieren.
Damit meine ich nicht, dass wir die Fehler der Populisten übernehmen und jede Kritik mit einer Gegenattacke beantworten sollten. Aber wir brauchen uns auch nicht von Kannibalen vorwerfen lassen, zu viel Fleisch zu essen. Zeigen wie ein wenig Selbstbewusstsein! Stehen wir für uns ein!
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Das Ziel: Populisten entlarven, nicht nur widerlegen
Derzeit verstehen unsere Politiker und Medien das nicht ausreichend. Also muss es von uns ausgehen, von der Gesellschaft. Wir brauchen eine Bewegung, die Populisten entgegentritt. Eine Gesellschaft, die Medien und Politiker unterstützt, die sich wehren.
Solange wir uns nur mit den Behauptungen der Populisten beschäftigen, bleiben wir in ihrer Logik gefangen. Es reicht nicht, sie zu widerlegen – wir müssen sie selbst unter Druck setzen. Nur so entziehen wir ihnen die Kontrolle über die politische Debatte.
Kein Freund des Rechtsstaats: Donald Trump.
Wie wir Populismus erkennen und aus der Politik verbannen, erfahren Sie in meinem Buch „Es gewinnen alle oder keiner“.
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Artikelbild: By https://www.flickr.com/people/126057486@N04 – https://www.flickr.com/photos/dhsgov/53989848647/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=153857353