Für seine Grenzmauer setzt Donald Trump alles aufs Spiel. Seine Anhänger unterstützen ihn – weil sie Ziel und Werkzeug verwechseln.
Die Entwicklung an der Grenze zwischen Mexiko und den USA könnte als Erfolgsgeschichte gelten. Die illegalen Grenzübertritte sind in den letzten 20 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen. Im Jahr 2000 wurden 1,6 Millionen Menschen an der Grenze festgenommen oder zurück nach Mexiko geschickt. 2018 waren es knapp 400.000. Dennoch gibt es gerade einen Shutdown – die Behörden der US-Bundesregierung liegen größtenteils lahm, weil Präsident Donald Trump um jeden Preis eine Grenzmauer durchsetzen will, die die angebliche Krise an der Grenze eindämmen soll. Gelingt ihm das nicht, beschwört er täglich auf Twitter, drohe der Untergang der USA. Mit Fakten ist diese Meinung nicht zu erklären. Für Populisten wie ihn ist sie aber typisch.
Trumps Grenzmauer: Wieso führt sie zu einem Shutdown in Amerika?
Donald Trump nutzt die amerikanische Regierung gerade als Geisel, um seine Mauerpläne durchzusetzen. Das ist möglich, weil in Amerika der Regierung das Geld ausgehen kann. Diese wird nicht wie in Deutschland vom Parlament gewählt, sondern direkt. Damit das Parlament den Präsidenten und seine Untergebenen dennoch kontrollieren kann, muss dieser das Geld für seine Projekte bei Kongress und Senat beantragen. Hat der Präsident großen Unsinn vor, entziehen ihm die Parlamente einfach das Geld dafür, und er muss sich etwas anderes einfallen lassen – so die Idee.
In der Praxis hat es der Präsident leicht, wenn seine Partei in beiden Parlamenten die Mehrheit besitzt. Weil Trump und den Republikanern seit den Wahlen vom 6. November 2018 aber die Mehrheit im Kongress fehlt, müssen sie auch einige Demokraten auf ihre Seite ziehen, um ihre Projekte bewilligt zu bekommen. Das gelingt ihnen nicht.
Die Demokraten lehnen eine Grenzmauer kategorisch ab. Deswegen konnten sich die drei Verhandlungspartner nicht auf einen neuen Haushalt einigen, bevor der alte ablief. Die Folge: Die Regierung steht ohne Geld da. Finanziert werden nur überlebenswichtige Dienste wie Polizei, Feuerwehr und Fluglotsen. Die Weltraumbehörde NASA liegt beispielsweise fast vollständig still, in den Ministerien ist ein großer Teil der Mitarbeiter im unbezahlten Zwangsurlaub.So weit, so normal.
Shutdowns sind nichts Ungewöhnliches. Jeder US-Präsident der letzten 30 Jahre erlebte mindestens einen. Diese dauerten allerdings meist nicht länger als ein oder zwei Tage. Der derzeitige Shutdown begann am 22. Dezember. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Das ist neu – und nicht nur für die Angestellten ohne Gehalt ein Problem. Eigentlich sollte ein Shutdown eine Drohung sein, die zur Einigung zwingt. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Präsident Projekte, die ihm die Parlamente nicht bezahlen wollen, auch tatsächlich ändert. Hält er stur an ihnen fest, könnten die Behörden auf Monate stillstehen. Das schwächt das Vertrauen der Menschen in den Staat und führt zu allerhand negativen Folgen, von mehr Kriminalität bis zu Reformstau und Schäden für die Wirtschaft.
Vorteile hat es nicht. Selbst die Grenzsicherheit leidet unter dem Regierungsstillstand, weil die Behörden nicht oder nur mit verminderter Leistung arbeiten. Versucht Trump die Mauer durchzusetzen, indem er den Notstand ausruft, riskiert er das demokratische Erfolgsrezept der USA – und ein Amtsenthebungsverfahren.
Für die USA wäre es zweifelsohne besser, Trump würde auf die Demokraten zugehen und seine Pläne anpassen. Es gibt viele Möglichkeiten zur Grenzsicherung, und eine Mauer eine der schlechtesten. Ginge es Trump um die Sache, wäre ein Kompromiss schon längst gefunden.
Shutdown in Amerika: Wieso nehmen Trumps Anhänger für die Mauer negative Folgen in Kauf?
Donald Trump widerspricht sich gerade selbst: Zwar hatte er versprochen, die Interessen Amerikas über alles zu stellen. Dennoch droht er, den Shutdown so lange fortzuführen, bis er das Geld für seine Mauer bekommt. Er nimmt also massive Probleme in Kauf, um Symbolprojekte durchzudrücken.
Das kann er nur, weil ihn seine Anhänger dabei unterstützen. Knapp ein Drittel der Amerikaner würden Trump sogar unterstützen, wenn er den Notstand ausruft und die Mauer gegen alle Widerstände durchsetzt. Damit sind ihnen die Symbolprojekte wichtiger geworden als das Wohl des Landes. Auch sie widersprechen sich selbst. Sie hatten Trump gewählt, weil sie ihn für das Beste für Amerika hielten.
Das Verhalten Trumps und seiner Anhänger ist typisch für Menschen, die an destruktive politische Ideen glauben. Eine Grenzmauer ist für sie nicht länger ein Werkzeug, dass dem Ziel dient, das Leben der Menschen zu verbessern. Eine Grenzmauer ist für sie das eigentliche Ziel und die Menschen sind ein Werkzeug, um es zu erreichen.
Dieser Unterschied ist entscheidend. Wer konstruktiv denkt und politische Ideen als Werkzeuge einsetzt, die den Menschen dienen, wird nie eine Idee über alles stellen. Er wird Einschränkungen in Kauf nehmen, so lange diese den Menschen helfen. Statt unbedingt auf eine Grenzmauer zu bestehen, lässt er sich Alternativen einfallen, wenn sein ursprünglicher Plan nicht klappt.
Trump und seine Anhänger denken aber nicht mehr darüber nach, ob ihre einmal gefundene Lösung immer noch zu einer Verbesserung führt. Sie verhalten sich wie jemand, der nachts stundenlang erfolglos unter einer Laterne nach seinem Schlüssel sucht. Zwar macht es Sinn, die Suche an einem gut ausgeleuchteten Platz zu beginnen. Bleibt sie erfolglos, muss man sich aber etwas anderes einfallen lassen. Trump und seine Anhänger verhalten sich wie jemand, der die Welt dazu zwingen will, den Schlüssel dahin zu bringen, wo es ihnen am besten passt.
Dabei greift Trump nach jedem Strohhalm. Unlängst argumentierte er, dass Mauern und Räder ähnlich gute Erfindungen seien, weil beide alt sind. Natürlich muss man Erfindungen nach ihrem Nutzen in der Gegenwart beurteilen. Rad – ja, Medizin aus dem 16. Jahrhundert – nein. Der Nutzen langer Shutdowns und Grenzmauern ist ebenso fraglich.
Trump, die Grenzmauer und der Shutdown: Was ist das Ziel und was das Werkzeug?
Trumps Anhänger sind nicht dumm. Sie fallen lediglich auf den gleichen Denkfehler herein, dem wir alle regelmäßig auf den Leim gehen: Sie verwechseln das Werkzeug mit dem Ziel.
Das Ziel guter Politik ist das Wohl der Menschen. Um es zu erreichen, setzen Politiker Werkzeuge ein. Manchmal kommt es aber vor, dass sich Menschen derart mit einem der Werkzeuge identifizieren, dass sie den Einsatz des Werkzeuges zum Ziel erheben – selbst wenn es den Menschen schadet. Dann vergessen sie ihr eigentliches Ziel und nehmen sogar Nachteile für sich und ihre Mitmenschen in Kauf, die sie bei nüchternem Kopf nie in Kauf nehmen würden.
Das passiert, wenn es Politiker schaffen, den Menschen Angst zu machen. Weil sich Trumps Anhänger vor den angeblichen Horden an illegalen Migranten und Drogenschmugglern fürchten, die der Präsident täglich bei Twitter beschwört, unterstützen sie die Grenzmauer um jeden Preis, um sich vor dieser Bedrohung zu schützen. Diese Bedrohung ist zwar erfunden, doch sie funktioniert. Sie manipuliert die Menschen, Trump und seine Projekte bedingungslos zu unterstützen.
Ähnlich argumentieren alle Populisten. Hitler hatte die Juden, die DDR den Kapitalismus. Trump hat Mexikaner, Moslems und Demokraten, die Medien, die anderen NATO-Mitglieder und auch sonst so ziemlich jeden. Wer Populisten nicht auf den Leim gehen will, muss die Bedrohungen hinterfragen, vor denen sie uns angeblich beschützen wollen.
Fazit
- Ein Shutdown ist nichts Ungewöhnliches für die USA, wenn er nur einige Tage dauert. Ein Shutdown mit offenem Ende hat aber massive negative Konsequenzen.
- Donald Trump und seine Anhänger nehmen diese negativen Konsequenzen in Kauf, weil für sie die Mauer wichtiger ist als das Wohl der Menschen.
- Das funktioniert, weil sie die Mauer als Schutz vor der unendlich bösen Bedrohung sehen, die Trump ihnen täglich bei Twitter einredet – illegale Migranten, Drogen, etc. Diese Bedrohung ist erfunden, aber sie funktioniert.