Die US-Regierung hat beschlossen, ihre Militärhilfe für die Ukraine einzustellen. Was bedeutet das für den Krieg, Europa und Deutschland? Der Podcast The Rest Is Politics diskutiert vier denkbare Szenarien.
Szenario 1: Die Ukraine kämpft allein weiter
Das passiert wahrscheinlich:
- Ohne US-Unterstützung kämpft die Ukraine allein weiter.
- Ohne modernste Waffen, Luftabwehr und Aufklärung bricht die Armee innerhalb der kommenden Monate zusammen.
- Russland durchbricht die Front und erobert das Land. Entweder Putin gliedert das Gebiet in Russland ein oder er installiert einen Marionetten-Herrscher, der seinen Anweisungen folgt.
- Putin setzt seinen Krieg gegen den Westen auf anderen Gebieten fort: die baltischen Staaten, Polen, Moldau. Europa gerät zunehmend unter Druck.
Gefahren:
- Hohe Wahrscheinlichkeit eines russischen Sieges
- Mögliche Besetzung der gesamten Ukraine
- Stärkung Putins und potenzielle Bedrohung für NATO-Staaten
Chancen:
- Falls die Ukraine Russland länger aufhält, entsteht neuer politischer Druck auf die USA.
Das Ergebnis hängt von der Fähigkeit der Ukraine ab, Russland aufzuhalten und von der Fähigkeit Russlands, den Krieg organisierter zu führen als beim miserabel vorbereiteten Überfall im Februar 2022. Die vollständige Niederlage der Ukraine scheint aber eher eine Frage der Zeit.
Szenario 2: Europa setzt eigene Truppen ein
Das passiert wahrscheinlich:
- Europäische Länder entsenden Truppen in die Ukraine, um diese im Kampf gegen Russland zu unterstützen.
- Ohne die USA als Schutzmacht droht Europa eine direkte Konfrontation mit Russland. Putin dürfte die Überzeugung Europas durch kleinere Angriffe testen, die er leicht leugnen kann: Eine Drohne tötet einige Soldaten. Schlägt Europa nicht zurück, setzt er die Nadelstiche immer härter fort. Schlägt Europa zurück, droht die Eskalation.
- Europa könnte militärisch blamiert werden oder in einen neuen Weltkrieg rutschen.
Gefahren:
- Eskalationsrisiko bis zum Weltkrieg
- Fehlende europäische Infrastruktur für einen eigenständigen Krieg gegen Russland
- Unklare Einsatzregeln und unterschiedliche militärische Kapazitäten der EU-Staaten
Chancen:
- Europa zeigt strategische Unabhängigkeit
- Abschreckung Russlands durch eine geschlossene europäische Front
Das Ergebnis hängt davon ab, ob europäische Militärs immer exakt die richtige Antwort auf Putins Nadelstiche finden, die diesen abschrecken, ohne eine vollständige Eskalation auszulösen. Ein massives Risiko.
Szenario 3: Ein Friedensabkommen mit russischen Bedingungen
Das passiert wahrscheinlich:
- Trump teilt sich mit Putin Europa auf und zwingt die Ukraine, Gebiete an Russland abzutreten.
- Europa schafft es nicht, Trump daran zu hindern.
- Das Abkommen festigt Putins Machtanspruch in Osteuropa und schwächt Europa. Es beweist endgültig: Trump verhandelt lieber mit Diktatoren als Demokraten.
Gefahren:
- Putin erhält Gebiete und erweitert seine Macht weiter
- Europäische Sicherheit massiv geschwächt
- Signal an andere Autokraten: militärische Aggression wird belohnt
Chancen:
- Kurzfristige Waffenruhe und Reduzierung der Opferzahlen
- Möglichkeit für die Ukraine, sich strategisch neu zu formieren
Das Ergebnis hängt zunächst davon ab, ob Europa schnell genug aufrüstet, um eine Mitsprache zu erzwingen. Schaffen sie das nicht, hängt das Ergebnis daran, ob sich Putin langfristig an ein Abkommen hält. Bislang tat er dies nie. Wahrscheinlich greift er also weitere Staaten an.
Muss Europa Putin irgendwann aufhalten, dann am besten in der Ukraine, meinen Gegner dieser Option. Dort haben sie die Unterstützung der Ukrainer. Warum diese erst in die Hände Russlands fallen lassen, bevor man sich dem Land stellt?
Szenario 4: US-Sicherheitsgarantien
Das passiert wahrscheinlich:
- Die für Europa beste Option ist der Versuch, die USA zur Sicherheitsgarantie für die Ukraine zu bewegen.
- In diesem Szenario entsendet nur Europa zwar Truppen in die Ukraine. Die USA nicht. Letztere garantieren aber im Falle eines russischen Angriffs, die europäischen Truppen zu unterstützen: durch Luftangriffe, eigene Soldaten und notfalls Atombomben.
- Diese Option riskiert ebenfalls einen dritten Weltkrieg. Weil sie Putin aber stärker abschreckt, schmälert sie das Risiko. Der russische Diktator wird vorsichtiger Vorgehen, als wenn er nur Europa angreift.
- Trump ist unberechenbar und nutzt jede Verhandlung für eigene Vorteile. Europa muss sich die Sicherheitsgarantien also teuer erkaufen und riskiert, ständige neue Forderungen Trumps erfüllen zu müssen.
Gefahren:
- Unzuverlässigkeit Trumps
- Hohe wirtschaftliche und politische Zugeständnisse Europas
- Unklare Definition der Sicherheitsgarantien
Chancen:
- Ein echter Schutz für die Ukraine könnte Russland abschrecken
- Stärkere europäische Verteidigungsallianz könnte entstehen
Das Ergebnis hängt davon ab, ob Europa dem wankelmütigen US-Präsidenten traut, langfristig zu seinem Wort zu stehen. Bisher sprechen die Anzeichen klar dagegen.
Fazit
- Europa steht vor einer Zerreißprobe: Ohne verlässliche US-Unterstützung bleibt es auf sich allein gestellt.
- Jede Option birgt Risiken: Entweder droht ein russischer Sieg oder eine massive Eskalation.
- Die wahrscheinlichste Option ist ein fragwürdiges Abkommen mit Russland – mit fatalen Folgen für die europäische Sicherheit.
Europa muss sich entscheiden: Will es eine eigenständige Sicherheitsarchitektur aufbauen oder weiter von einer unzuverlässigen USA abhängen?
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Artikelbild: Wohngebäude in Dobropillia (Region Donezk, Ukraine) nach dem russischen Raketeneinschlag am Abend des 7. März 2025. Acht Wohngebäude, ein Verwaltungsgebäude und 30 Autos wurden beschädigt. Elf Menschen starben und über 40 wurden verletzt. Eines der Opfer ist ein Rettungshelfer, der bei einem zweiten Angriff getötet wurde. Quelle: By National Police of Ukraine – Щонайменше 11 загиблих і 30 поранених внаслідок масованого обстрілу Добропілля на Донеччині: на місці працює поліція, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=161573026