„Rezo ja lol ey“ ist mit der Politik unzufrieden. Auf Youtube fordert er, mehr Investitionen in Bildung und mehr Klimaschutz. Und dass sich die Bundeswehr nicht mehr an Kriegen der USA beteiligt. Durchaus gängige Ansichten also, gerade unter jungen Menschen. Die Folge: Klicks im zweistelligen Millionenbereich.
So weit, so gut. Doch Rezo hat noch mehr zu bieten. Er empfiehlt, weder CDU noch SPD zu wählen. Die Union will er sogar zerstören. Begründung: Sie war oft an der Regierung beteiligt, hat seine Forderungen aber noch nicht umgesetzt. Also muss sie weg.
Und da liegt das Problem. Rezo meint, die eine richtige Wahrheit erkannt zu haben. Und er kann sich keinen guten Grund vorstellen, warum jemand anders denken sollte. Also hält er jeden, der es dennoch tut, für schlecht informiert, dumm oder böse. Die CDU will er besiegen, ihre Wähler aufklären.
Das ist keine Meinung, das ist Rechthaberei. Wer so argumentiert, dem nützen die besten Forderungen nichts. Er hat immer Unrecht. Eine Meinung zu haben, bedeutet nicht nur, von etwas überzeugt zu sein. Es heißt auch, Raum für Zweifel zu lassen, sich nicht zu sicher zu sein.
Wenn Millionen Menschen in einem Staat zusammenleben wollen, klappt das auf Dauer nur, wenn sich Andersdenkende mit Verständnis begegnen. Das kann aber nur, wer sich nicht zu sicher ist, bereits alles zu wissen. Diese Grundlage hat Rezo nicht verstanden.
Rezo verurteilt alle, die anders denken
Beispiel Klimawandel: Was Rezo sagt, ist meist gut recherchiert. Naturkatastrophen nehmen zu, der Mensch ist zu 100 Prozent für den Klimawandel verantwortlich und die Wissenschaftler sind sich darin einig – stimmt alles. Klar macht er auch ein paar Fehler und entscheidet sich manchmal für die dramatischste Sichtweise. Aber es gibt genügend Faktenchecks, die das geraderücken (Beispiele: SWR3, FAZ, Science Skeptical, RP, Spiegel Online). Sie zeigen auch: Im Großen und Ganzen passt das schon.
Seine ganze Arbeit reißt Rezo aber ein, wenn er sagt, dass die CDU „unser Leben zerstört“. Klar, die erste Theorie des Klimawandels gibt es schon seit 1896. Danach ist lange nichts passiert, auch unter CDU und SPD. Aber dafür gibt es gute Gründe. In diese Zeit fallen unter anderem die Aufarbeitung zweier Weltkriege, ein kalter Krieg und deutsche Auslandseinsätze in Nahost; Reaktorunfälle, Wirtschaftskrisen und Ölkrisen; ein Ozonloch, ein Waldsterben und ein 11. September. Und ganz nebenbei: die Wiedervereinigung, die Globalisierung und das Internet.
Wenn Wählern und Politikern diese Themen lange wichtiger waren als der Klimawandel, ist das verständlich. Die Erderwärmung zeigte sich früher weniger dramatisch als heute. Der drohende Nuklearkrieg war ganz rational dringender. Selbst die Umweltbewegung demonstrierte lange gegen Atomkraft und Waldsterben, bevor sie sich dem Klimawandel widmete. Das zeigt: Die Prioritäten lagen für alle anders. Korruption und Dummheit haben damit nichts zu tun.
Auch in den letzten Jahren ist die Lage komplizierter, als Rezo meint. Auch hier stimmt, dass Deutschland die Ziele des Pariser Klimaabkommens wohl verfehlen wird, obwohl es mehr tun könnte. Doch auch das liegt weder an der Dummheit noch der Korruption von CDU und SPD. Es liegt daran, dass für viele Wähler der Klimawandel weniger dringend ist als für Rezo.
Nehmen wir als Beispiel ein Rentner-Ehepaar. Beide haben ihr Leben lang gearbeitet und Kinder großgezogen. Und gespart, damit sie im Ruhestand auf Weltreise gehen können. Jetzt erklären ihnen die Kinder plötzlich, dass sie das nicht dürfen. Weil vom CO2 des Flugzeugs die Welt untergeht.
Das Ehepaar sieht das anders. Es hat schon erlebt, wie die Probleme mit dem Ozonloch und dem sauren Regen gelöst wurden. Also meint es, dass die Menschheit auch dieses CO2 irgendwie in den Griff bekommen wird. Deswegen den Lebenstraum absagen? Nein, danke.
Auch diese Meinung ist nicht falsch. Es ist durchaus denkbar, dass der Mensch in den nächsten 100 Jahren die Möglichkeit entwickelt, CO2 in großen Mengen aus der Luft zu filtern und sich sein Klima selbst einzustellen. Ansätze in diese Richtung gibt es bereits.
Ob man es darauf ankommen lassen muss, ist eine andere Frage. Aber auch dieses Ehepaar hat eine politische Stimme verdient – ob es Rezo passt oder nicht.
Das führt dazu, dass nicht alle Ressourcen zur CO2-Senkung eingesetzt werden. Aber das ist das Gute an der Demokratie. Rezo und das Ehepaar müssen eine Lösung finden, die alle glücklich macht. Keiner kann es genau so haben, wie er es will. Dieser Druck zwingt sie, die eigene Position zu überdenken und so zu verbessern, dass sie den anderen überzeugen kann. Oder beide Ansätze zu kombinieren. Deswegen kommt am Ende mehr dabei heraus, als wenn eine Seite ihre erste Idee einfach umsetzen kann.
Wer will, dass mehr gegen den Klimawandel getan wird, muss auf die Menschen eingehen, denen das Thema weniger wichtig ist. Nur dann kann er sie zu Kooperation bewegen. Wer dem politischen Gegner Dummheit und Korruption unterstellt, vertieft die Gräben nur. Dann passiert gar nichts.
Rezo macht genau das. Er wäre besser beraten, Brücken zwischen den Menschen zu schlagen. Er könnte zum Beispiel fordern, dass in Deutschland ab 2025 nur noch CO2-freie Autos zugelassen werden dürfen. Und er könnte erklären, dass sich so niemand ein neues Auto kaufen müsste, der CO2-Ausstoß aber trotzdem sinken würde. Das würde auch seinen politischen Gegnern entgegenkommen.
Die Totalität, mit der er seiner Argumente vorträgt, schadet seinen Zielen aber. Hoffentlich ist er auch damit unzufrieden.
Artikelbild: Author: Rewinside. Link: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:YouTuber_Rezo_(2018).jpg
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