Donald Trump will immer gewinnen. In der Politik ist das Selbstmord. Wer so denkt, schadet sich selbst und seinen Verbündeten.
Donald Trumps Versprechen, mit ihm als Präsidenten würden die USA so viel gewinnen, den Menschen würde es irgendwann zum Halse heraushängen, wird sehr wahrscheinlich wahr werden – allerdings anders, als er es sich wünscht. Trump ignoriert, dass ein Fokus auf das Gewinnen politische Macht zerstört. Davor wird auch er sich nicht retten können.
Kann man die Politik gewinnen?
Im amerikanischen Sprachgebrauch hat sich das Ziel des Gewinnens auf alle Bereiche des Lebens ausgeweitet – oft allerdings mit einem Augenzwinkern. Menschen mit völlig übertriebenem Christbaumschmuck sagen, sie hätten Weihnachten gewonnen. Leider nehmen einige dieses Ziel zu ernst und übertragen es auch auf andere Bereiche des Lebens. Schon Charlie Sheen gewann grundsätzlich alles und verlor dennoch. In der Politik wird es noch schlimmer.
Die Spieltheorie zeigt deutlich, warum es unmöglich ist, die Politik zu gewinnen. Die Spieltheorie analysiert Entscheidungsprozesse und sagt vorher, was unter bestimmten Bedingungen wahrscheinlich passieren wird. In vielen Situationen kann sie hilfreiche Tipps und genaue Prognosen geben, und das trifft auch hier zu.
Die Spieltheorie unterscheidet endliche und unendliche Spiele:
- Endliche Spiele haben klar definierte Regeln und Spieler. Das Ziel ist, dass Spiel zu gewinnen. Schach, Fußball und Monopoly sind endlicheSpiele.
- Unendliche Spiele haben keine klaren Regeln und keine klar definierten Spieler. Sie können auch nicht gewonnen werden, denn sie sind ewig. Manchmal geben Spieler auf, aber dann entstehen schnell neue Spieler. Die Wirtschaft ist ein Beispiel für ein unendliches Spiel. Es kommen täglich neue Mitspieler an den Markt und man kann Gegenspieler nicht direkt besiegen, sie müssen aufgeben. Eine Marktposition ist nie sicher. Es ist unmöglich, die Wirtschaft ein für alle Mal zu gewinnen und es macht keinen Sinn, es zu versuchen.
Beide Spieltypen brauchen eigene Strategien, die ihren individuellen Charakteristika gerecht werden.
- Endliche Spiele brauchen kurzfristige Strategien. Gute Spieler verstehen, wie lange ein Spiel dauert und spielen so, dass sie ihre Siegchancen maximieren. Liegt eine Fußballmannschaft kurz nach Anpfiff hinten, bleibt sie vorsichtig. Liegt sie allerdings kurz vor Schluss zurück, kann sie alles auf eine Karte setzen – sie hat ohnehin nichts mehr zu verlieren.
- Unendliche Spiele brauchen langfristige Strategien. Es ist unmöglich, einen anderen Spieler zu besiegen. Gute Strategien versuchen, langfristig das Interesse anderer am Spiel zu verringern.
Wenn mehrere Spieler auf die gleiche Art spielen, ist alles in Ordnung. Zwei unendliche Spieler können ein gutes Spiel spielen, genau wie zwei endliche Spieler. Wenn wir allerdings einen unendlichen Spieler mit einem endlichen paaren, entstehen Probleme.
- Wenn jemand eine unendliche Strategie spielt, sich aber in einem endlichen Spiel befindet, verpasst er den Punkt, an dem er ein höheres Risiko eingehen müsste. Wie ein Fußball-Team, dass trotz Rückstand in der 90. Minute noch seine kräfte schont, steuer er wehrlos in eine Niederlage.
- Wenn jemand eine endliche Strategie spielt, sich aber in einem endlichen Spiel befindet, konzentriert er sich zu stark auf kurzfristige Strategien. Er verschwendet seine Ressourcen für kurzfristige Erfolge, ist aber nicht in der Lage die Position später gegen neu hinzukommende Spieler zu verteidigen.
Auch die Politik ist ein unendliches Spiel. Wir konzentrieren uns manchmal so stark auf kurzfristige Themen, wie erfolgreich eingebrachte Gesetzesentwürfe, gewonnene Wahlen oder gewonnene Kriege, dass wir vergessen, dass es immer eine nächste Wahl und einen nächsten Krieg geben wird und dass Gesetze abgeschafft werden können. Es ist unmöglich, die Politik dauerhaft zu gewinnen.
Was passiert, wenn wir in der Politik das falsche Spiel spielen?
Spielt ein Politiker das falsche Spiel, zerstört er seine politischen Ressourcen und untergräbt seine langfristige Macht.
In der Politik sind Ressourcen Werte. Sie schaffen langfristig Macht, weil sie bestimmen, ob neue Spieler an unserer Seite oder gegen uns in das Spiel eintreten. Niemand überlebt mit zu vielen Feinden.
Politisch relevante Werte sind nicht etwa deutsche Werte oder amerikanische Werte, christliche Werte oder muslimische Werte. Politische Werte sind Dinge wie Vertrauenswürdigkeit, Gleichheit und die Anerkennung der Menschenrechte. Diese Werte gibt es in fast allen Ideologien und Kulturkreisen. Sie sind praktisch universell. Politiker und Staaten, die sie verletzen, erzeugen mehr Widerstand als sie an Macht gewinnen. Früher oder später wird dieses Missverhältnis zu ihrem Untergang.
Die Geschichte kennt viele Beispiele dieses Mechanismus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgten die USA und ihre Verbündeten eine unendliche Strategie. Sie besetzten Deutschland, gründeten Militärbasen und erklärten, so lange zu bleiben, bis sie eine funktionierende Demokratie geschaffen hatten. Es gab kein konkretes Endziel und kein Enddatum.
Die westlichen Alliierten wollten ihren Werten dienen und sie schützen, taten dies aber auf eine Art und Weise, die eingestand, dass diese Aufgabe nie abgeschlossen sein wird. Es wird immer jemanden geben, der diese Werte bedroht. Wenn eine Bedrohung vergeht (Nazi-Deutschland), wird eine neue entstehen (Sowjetunion).
Mit der Entnazifizierung konzentrierten sich die Westmächte darauf, die Gedanken der Menschen zu verändern. Es hätte ihren Werten widersprochen, sie zu quälen oder zu töten. In der neuen Weltordnung bevorzugten deswegen die meisten Menschen den American Way of Life und nicht den russischen.
Während und nach den Kriegen in Afghanistan, Irak und Vietnam gaben die USA und ihre Verbündeten ihre unendliche Strategie auf. Sie wollten gewinnen und gehen – eine endliche Strategie mit einem klaren Gegner, einem klaren Ziel und einer Chance, das Spiel zu beenden.
Der Vietcong, Al Quaida und die irakischen Warlords spielten allerdings ein unendliche Spiel. Sie wollten nur überleben und ihre Macht verteidigen. Sie wussten, dass es immer eine Bedrohung für dieses Ziel geben würde und dass neue Bedrohungen entstehen, wenn alte vergehen. Sie wollten den Krieg für die USA so teuer machen, dass sie ihn freiwillig aufgeben – eine unendliche Strategie.
Die westlichen Verbündeten spielten also die falsche Strategie. Ihr Fokus auf kurzfristige Siege verleitete sie dazu, Menschenrechte zu verletzen und andere Werte aufzugeben. Dadurch brachten sie die Einwohner dieser Länder gegen sich auf und trugen damit zum Aufstieg von ISIS bei. Weil die westlichen Verbündeten eine endliche Strategie in einem unendliche Spiel spielten, verschlimmerten sie die Situation.
Gleiche Probleme bestehen bei allen Politikdiskussionen. Wenn sich Politiker auf das Verabschieden eines Gesetzes versteifen, um ihren Wählern zu gefallen, geben sie oft einen Teil Ihrer Werte auf. Sie akzeptieren Gesetze mit Schwächen, schaden dem Volk und verlieren ihre Chancen auf Wiederwahl.
Um in der Politik langfristig Erfolg zu haben, müssen wir eine endliche Strategie spielen. Wenn wir langfristig denken und manchmal kurzfristige Erfolge aufgeben, um unsere langfristigen Ressourcen zu schützen, können wir unsere Werte beschützen. Intakte Werte sind die Eckpfeiler der Reputation von Politikern und Staaten.
Das Ziel, eine gute, sichere Welt zu erschaffen, ist ehrenwert. Allerdings gibt es dafür weder ein Ende noch eine Möglichkeit, zu gewinnen. Es wird immer eine Bedrohung geben; und wenn wir unsere Werte wegen kurzfristiger Erfolge aufgeben, werden wir zu unserer eigenen Bedrohung. Wir können Dinge nicht beschützen, indem wir sie aufgeben.
Was passiert, wenn man die Politik gewinnen will?
Donald Trump sieht sich als Gewinner-Typ. Mit dieser Idee interpretiert er die Welt, sie motiviert alle seiner Handlungen. In der Politik ist es aber gefährlich, sich zu stark auf das Gewinnen zu konzentrieren. Dafür gibt es einige Gründe:
- Die Idee teilt die Welt in unversöhnliche Gruppen (wir und die, unsere Gegner),
- Die Idee erzwingt ein binäres Argument (entweder wir gewinnen oder die gewinnen und wir verlieren),
- Die Idee beruft sich auf eine höhere Wahrheit (wenn alles gewonnen werden muss, müssen wir auch diesen Konflikt gewinnen. Es gibt keinen Grund, an diesem Ziel zu zweifeln.)
Zusammen erzeugen diese drei Punkte eine unendlich böse Bedrohung (die – die Gruppe, die wir als unsere Gegner sehen) und einen weißen Ritter (uns). Nichts wäre schlimmer, als wenn die gewinnen. Deswegen ist alles, was wir im Kampf gegen die tun, in Ordnung. Dieser Glaube hebelt unsere moralischen Grundwerte aus. Wir versuchen, den Kampf hier und jetzt zu gewinnen, und sind bereit, dafür alle nötigen Mittel einzusetzen. Deswegen spielen wir eine endliche Strategie in einem unendlichen Spiel, geben unsere Werte auf und zerstören die Basis für unseren langfristigen politischen Erfolg.
In ähnlicher Weise verzerren alle destruktiven Ideen unsere Wahrnehmung und verleiten uns, endliche Strategien in unendlichen Spielen zu spielen. Das ist einer der Gründe, warum Staaten, die auf destruktiven Ideen basieren, immer scheitern werden. Sie fokussieren sich so stark auf einen unerreichbaren Sieg, dass sie das Fundament des Staates zerstören. Weil Sie im Laufe dieses Prozesses zwar merken, dass ihre Macht bröckelt, aber nicht, dass sie dafür selbst verantwortlich sind, stecken sie noch mehr Kraft in den Kampf um den Sieg und zerstören sich selbst noch mehr. Der Kreislauf beschleunigt sich, bis der Staat seine Machtbasis völlig verliert.
Wir müssen niemanden besiegen, um unsere Werte zu verteidigen. Wir müssen nur gegen unseren eigenen Impuls gewinnen, unsere Werte für kurzfristige Ziele aufzugeben.
Kann man diese Regel auf andere Lebensbereiche übertragen?
Viele andere Bereiche des Lebens sind dem politischen nicht unähnlich – sie wirken oft wie endliche Spiele, sind aber unendliche.
In einer Beziehung versteifen wir uns beispielsweise oft darauf, eine Diskussion zu gewinnen. Wir spielen eine endliche Strategie in einem unendlichen Spiel, was das Vertrauen unseres Partners in uns und die Beziehung zerstört.
Wenn wir uns auf unsere Werte konzentrieren, können wir bessere Beziehungen führen. Wenn wir unsere Partner lieben, ihnen vertrauen und sie unterstützen, schaffen wir bessere Beziehungen. Es wird immer neue Probleme geben, und dann wollen wir, dass unser Partner an unsere Fähigkeit glaubt, damit gut umgehen zu können. Das schaffen wir nur, indem wir uns auf unsere Werte konzentrieren.
Diese Denkweise unterstützt alle Aspekte unseres privaten und beruflichen Lebens. Wir müssen die Struktur des Spiels verstehen und die richtige Strategie spielen. Wir machen oft den Fehler, intuitiv eine endliche Strategie zu spielen. Leider sind aber die meisten Situationen des Lebens Teile unendlicher Spiele.
Fazit
- Es gibt endliche und unendliche Spiele. Um ein Spiel zu gewinnen, müssen wir die richtige Strategie spielen. Die falsche Strategie führt unweigerlich zur Niederlage.
- Die Politik ist ein unendliches Spiel. Um in ihr Erfolg zu haben, müssen wir langfristig unsere Werte leben. Wer jede Situation gewinnen will spielt die falsche Strategie und zerstört sich langfristig selbst.
- Alle Aspekte unseres Lebens profitieren, wenn wir die Struktur des derzeitigen Spiels verstehen und die richtige Strategie spielen.